Referendum in der Slowakei scheitert

■ Die Bevölkerung protestierte mit Stimmverweigerung gegen die durchsichtige Wahlmanipulation der Regierung

Bratislava (AP/dpa/taz) – Das Referendum über die mögliche Nato-Mitgliedschaft der Slowakei ist wegen zu geringer Wahlbeteiligung gescheitert. Nach Schätzungen nahmen 10 bis 15 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung teil. Notwendig gewesen wäre eine Beteiligung von mindestens 50 Prozent. Das Referendum war von einem innenpolitischen Streit zwischen Gegnern und Anhängern von Ministerpräsident Vladimir Mečiar überschattet.

Etwa 4 Millionen wahlberechtigte Slowaken waren am Freitag und Samstag gemäß der Ausschreibung durch Staatspräsident Michal Kováč dazu aufgerufen, vier Fragen zu beantworten. Die Bürger sollten dazu Stellung nehmen, ob sie einen Nato-Beitritt befürworten, falls das Bündnis eine entsprechende Einladung an ihr Land richte, und ob sie mit der Stationierung von fremden Truppen sowie von Nuklearwaffen auf dem Boden der Slowakei einverstanden wären. Mit der vierten Frage sollten die Wähler entscheiden, ob sie die Direktwahl des Staatsoberhauptes befürworten.

Diese Frage wurde jedoch am Vorabend des Referendums von Innenminister Gustav Krajci vom Abstimmungsbogen gestrichen. Präsident Michal Kováč forderte daraufhin die Bevölkerung zum Boykott des Referendums auf. „Das ist nicht das Referendum, zu dem ich aufgerufen habe“, erklärte er und weigerte sich aus diesem Grund, seine Stimme abzugeben. „Ich mache Mečiar und Krajci für diese Verwirrung verantwortlich“, sagte Kováč. Der Innenminister habe ein schweres Verbrechen begangen. Doch sei es Sache der Gerichte, darüber zu urteilen. Das Oberste Gericht hatte die Frage zur Direktwahl des Präsidenten 48 Stunden vor Referendumsbeginn für verfassungskonform erklärt. Viele Menschen folgten offenbar der Aufforderung ihres Präsidenten und lehnten es ab, in den Wahllokalen die von Krajci manipulierten Stimmzettel zu übernehmen. Etliche Wahlkommissionen begannen erst gar nicht mit dem Abstimmungsvorgang. Beobachter gehen davon aus, daß die Zentrale Wahlkommission nach Auswertung der Ergebnisse das Referendum für „ungültig“ erklären wird.

Nach der derzeitigen Verfassung ist das Staatsoberhaupt vom Parlament mit einer Dreifünftelmehrheit zu wählen. Über eine solche verfügt die derzeitige Regierungskoalition aber nicht. Die Opposition befürchtete, daß Mečiar diese Pattsitution ausnützen könnte, um die Aufgaben des Präsidenten an sich zu reißen. Aus diesem Grunde hatte die Opposition, die hinter Kováč steht, die Frage der Direktwahl durchgesetzt. Mečiar hat in der Vergangenheit wiederholt offiziell erklärt, er wolle das Land in die Europäische Union und in die westliche Allianz führen, lehnte sich in der Außenpolitik aber zum Teil an Moskau an. So schloß er unlängst ein militärisches Kooperationsabkommen mit Rußland. Nach Einschätzung von Beobachtern befürchtet er, daß seine autoritäre Führung im Fall einer EU- und Nato-Mitgliedschaft noch schärfer kritisiert werden könnte als bisher. Ein negatives Votum im Nato-Referendum hätte ihm die Möglichkeit eines legitimierten Rückzugs geboten. Nach Meinungsumfragen war zu erwarten, daß sich eine klare Mehrheit der Slowaken für die Direktwahl und für den Nato-Beitritt aussprechen würde.

Die Nato entscheidet Anfang Juli, welche Länder sie zum Beitritt einlädt. Die Slowakei zählt nicht zu den Kandidaten, deren baldiger Beitritt wahrscheinlich ist.