Wahlkampf auf Pagensand

■ Voscherau greift grünen Kieler Umweltminister Rainder Steenblock an: Naturschutzgebiet soll Schlickhügel werden

Thomas Mirow mußte ran. Wie immer, wenn es in Hamburg Konflikte um besetzte Altbauten, Krankenhäuser oder – aktuell – um die naturgeschützte Elbinsel Pagensand wahlzubekämpfen gilt, schickt Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) seinen SPD-Senator für Konsens und Stadtentwicklung vor. Gestern nun mußte Mirow „ein klärendes Telefonat“mit dem schleswig-holsteinischen Wirtschaftsminister Peer Steinbrück (SPD) führen.

Es ging um eine Zurechtweisung des grünen Kieler Umweltministers Rainder Steenblock. Der hatte Mitte Mai das Eiland vor Glückstadt als Naturschutzgebiet ausgewiesen und klargestellt, daß dort ein Spülfeld für Baggergut aus der Elbe nichts verloren habe (taz berichtete). Diese Entscheidung, schluchzte Voscherau gestern im Abendblatt, sei das Ende der Elbvertiefung. Denn das Wasser- und Schiffahrtsamt (WSA) in Hamburg will zwei der insgesamt 30 Millionen Kubikmeter Baggergut aus der geplanten Fahrrinnen-Vertiefung zwischen Hamburg und Cuxhaven auf Pagensand aufschichten. Wer den Standort zu verhindern suche, suggerierte Voscherau, verhindere die Elbvertiefung, mißachte Länderabsprachen und sei regierungsunfähig.

Schon lange ist Steenblock dem Hamburger Bürgermeister wegen seiner Parteizugehörigkeit im allgemeinen und im Wahlkampf im besonderen verhaßt. Und so referierte Senatssprecher Cord Schellenberg gestern gehorsamst das Mirow'sche Telefonat mit den Worten: „Alles sieht nach einem Alleingang von Herrn Steenblock aus.“

Das stimmt in der Tat: Die Ausweisung als Naturschutzgebiet ist eine ministerielle Verordnung, die als solche keiner Zustimmung des Kieler Kabinetts bedarf. „An Pagensand aber wird die Elbvertiefung bestimmt nicht scheitern“, schüttelt sich Steenblock-Sprecher Markus Stiegler derweil vor Lachen. Ob Teile der Insel irgendwann ausnahmsweise in Schlickhügel verwandelt werden, könne „erst während des Planfeststel-lungsverfahrens für die Elbvertiefung geklärt werden“. Das aber ist noch gar nicht eingeleitet.

Selbst „wenn Pagensand nicht geht, finden wir schon einen anderen Standort“, will selbst der Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde, Wolfgang Becker, „das alles nicht so dramatisch sehen“. Selbst die Kieler Staatskanzlei sah sich gestern genötigt, sich in den Wahlkampf um Pagensand einzuschalten. Sie versicherte dem besorgten Hamburger Senatschef, daß „die Landesregierung die Elbvertiefung für notwendig erachtet und ihre Realisierung unterstützt“.

Heike Haarhoff