Weser Report privat
: Auschwitz als Wichsvorlage

■ Der Weser Report-Chefredakteur Ronald K. Famulla sinniert über Wehrmachtsverbrechen, Porno und Verkehr

Kaum ein Ereignis hat die Bremer Gemüter so erhitzt wie die Wehrmachtsausstellung. Kaum ein Ereignis scheint geeigneter, die wirrsten Argumente aus deutschen Hirnen zu treiben. Nun hat sich einer in die Schar der alten Kameraden eingereiht, dessen Blättchen – ganz ungewöhnlich, weil gegen CDU-Interessen – sich für die Ausstellung eingesetzt hatte. Am Sonntag hat sich „Weser-Report“-Chefredakteur Ronald K. Famulla so seine Gedanken über Mord und Totschlag gemacht. Überschrift: „Wer hat Lust?“

Also er, Ronald K. Famulla geht ja nicht hin, schreibt er uns da. Und seine Familie auch nicht, weil es schon über die Existenz der Ausstellung und die Debatte darum genügend Aufklärung über die Wehrmachtsverbrechen gegeben hat.

Geht ja gerade noch, dann aber haut es Famulla aus der Kurve. Wer sich die Bilder anguckt, schreibt er weiter, ist nämlich ein Voyeur der schlimmsten Sorte, wie ein „Gaffer“bei Autobahnunfällen. Und weil wir gerade beim Verkehrsthema sind, kommt Famulla auch gleich auf Besucher von Porno-Kinos. Die gucken sich Indiskretionen zum Lustgewinn an, hat der Weser Report-Chef rausgekriegt. Aber das sei nicht indiskret, weil es sich da um Schauspieler handelt. „Man verspürt Lust dabei. Wer in die Wehrmachtsausstellung geht, schaut in Gesichter von Hingerichteten. Sterben und Tod sind auch etwas Intimes. Aber dieses Betrachten ist in hohem Maße indiskret, denn hier läuft kein Film ab, hier geht es um die Realität. Auch hier würde man hinschauen, weil man Lust verspürt, habe ich von Psychologen und Sozialwissenschaftlern gehört.“Nicht gelogen!

Was brummt in der Hose von Herrn Famulla? Wie kommt der Mann auf diese Assoziationskette? Aufklärung – bloß nicht hingucken, man weiß ja eh schon, was war, irgendwie? Die Wehrmachtsverbrechen – ein Verkehrsunfall? Leichenbilder – nichts als Lustgewinn? Bißchen überspitzt gesagt: Die Gedenkstätten Auschwitz, Dachau, all die Orte des Schreckens – nichts als Wichsvorlagen für Polit-Masochisten? Da möchte man sich lieber nicht vorstellen, wie's bei Famullas daheim im Schlafzimmer zugeht.

Es ist noch gar nicht lange her, da stolperte der Chefredakteur der „Bremer Nachrichten“über die Schlagzeile zu einer erschreckenden Meinungsumfrage. Jude als Nachbar unerwünscht, hatte der Kollege getitelt – ohne Anführungsstriche, und das hat ihn am Ende den Job gekostet. Dabei hatte die Überschrift nichts anderes als den Inhalt der Umfrage wiedergegeben. Die Abstrafung, völlig überzogen. Da wurde „Skandal!“geschrien, wo nur schwer einer zu sehen war. Wie harmlos war doch diese Schlagzeile, verglichen mit dem ekelhaften Sonntagmorgen-Elaborat aus dem Hause Famulla.

Zur Eröffnungsveranstaltung der Wehrmachtsausstellung hat er übrigens einen Reporter und einen Fotografen geschickt. Auf deren Bericht dürfen wir gespannt sein. Dann aber – mangels eigener Anschauung – ohne Kommentar von Herrn Famulla. „Wer hat Lust“auf sowas? Wir nicht mehr! Jochen Grabler