Weggehen, um anzukommen Von Klaudia Brunst

Sie hatte einen einleuchtenden Grund, zu mir zurückzukehren. „Ich habe die perfekte Wohnung für uns gefunden“, strahlte meine Exfreundin mich im Türrahmen an. „Kann ich reinkommen?“

Natürlich freuten sich vor allem die Tiere. Sechs Monate sind eine lange Zeit. Ausnahmsweise durfte der Hund deshalb sogar länger aufbleiben, und selbst der Kater zeigte sich nicht nachtragend, indem er sich überhaupt zeigte. Alles war also wieder im Lot. Nur mir war noch nicht so ganz klar, worauf dieser Überraschungsbesuch letztlich hinauslaufen sollte. „Du meinst also, wir ziehen um?“ fragte ich vorsichtig. „Sind wir denn dann jetzt wieder zusammen?“ – „Vier Zimmer, Zentralheizung, Badewanne und ein Schlafzimmer nach hinten raus“, zählte meine Freundin ihre Argumente für eine rasche Versöhnung an den Fingern ihrer linken Hand ab, als wäre damit nun wirklich alles gesagt.

Tatsächlich war das Angebot verlockend. Nicht nur, daß meine Freundin so wieder meine Freundin sein würde. Auch sonst klang alles wie ein Traum: bezahlbare 120 Quadratmeter, um die Ecke von unserem Lieblingsinder gewissermaßen, sogar Tierhaltung war erlaubt. Die Sache hatte nur einen Haken: Die Wohnung war noch bewohnt. „Das kriegen wir schon hin“, meinte meine Freundin zuversichtlich und schlenderte in Richtung Tür, wo es gerade Sturm geklingelt hatte. „Das ist alles eine Frage der Organisation.“ – „Und was ist,“ rief ich ihr hinterher. „wenn die Leute dann doch nicht ausziehen?“

„Ihr zieht doch gar nicht aus, Schätzchen!“ kreischte unsere Nachbarin, während sie ins Wohnzimmer stürmte. „Das ist doch das Tolle! Ihr zieht nicht aus, sondern bloß um. Nach hinten, wo früher die alte Lippholt, Gott hab' sie selig, gewohnt hat.“ – „Aber das ist doch eine winzig kleine Bude!“ war ich nun vollends verwirrt. „Nicht, wenn man hier ein Loch schlägt“, grinste meine Freundin siegessicher und markierte mit ihren Händen am Ende unseres Wohnzimmers die noch einzureißende Wand. Dann setzte sie sich aufs Sofa zu meiner Nachbarin, die ihren Stolz, einen ganzen Tag lang dichtgehalten zu haben, mittlerweile geflissentlich mit einem doppelten Martini ertränkte.

Es dauert noch eine knappe Stunde, bis ich die Vorgeschichte endlich komplett rekunstruiert hatte. Meine Freundin hatte gestern zufällig unseren Vermieter in der Fußgängerzone getroffen, der noch nichts von unserer Trennung wußte, und ihr (respektive uns) anbot, das an unsere Wohnung angrenzende Hinterhausappartement mitzumieten. „Das heißt ein ganzes Zimmer und ein gekacheltes Badezimmer mehr als bisher“, erläuterte mir meine Freundin und zog ihre Schuhe aus, um es sich auf dem Sofa etwas gemütlicher zu machen. „Stell dir vor, dann habt ihr sogar ein eigenes Gäste-WC!“ begeisterte sich auch unsere Nachbarin. „Und die Küche von der Lippholt wird...“ – „natürlich mein Arbeitszimmer!“ rief ich spontan. „Kin-der-zim-mer!“ zischte meine Nachbarin mir zu, die wohl wirklich ein Interesse an unserer Versöhnung hatte. Aber ihre Sorge war unberechtigt. Meine Freundin war gar nicht wütend. Sie war nämlich längst mit dem Ikea-Katalog im Arm auf dem Sofa eingeschlafen. Die Nachtrunde mit dem Hund blieb wieder an mir hängen. Was habe ich das alles vermißt.