Keinen Jux wollen sie sich machen

■ „Einbahnstraße Spaßkultur?!“ Theaterleute sorgten sich in Düsseldorf

Der Feind war benannt: Spaß. Im Schauspielhaus Düsseldorf hatte sich letzte Woche die Tafelrunde der Ritter für den theatralischen Ernst versammelt: alles gestandene deutsche Theaterdenker und -macher. Diskussionsleiter Frank Raddatz, Dramaturg in Düsseldorf, konnte unwidersprochen als Einleitung gleich das Resümee der Diskussion ziehen: natürlich dagegen, statt dessen: nicht genau zu formulieren, aber unbedingt.

Also ging es um Erklärungen. Warum uns denn dieser grauslige „Spaß“ immer um die Ohren gehauen wird?! Und da konnten die Ritter einige scharfe Geschütze auffahren. Helmut Schäfer, Dramaturg des Theaters an der Ruhr in Mülheim, analysierte als Kern des Problems die Entmachtung des Politischen durch die Ökonomie. Sie verhindere, daß die Frage „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“ überhaupt noch gestellt werde, und die müsse der Frage „Welches Theater wollen wir machen?“ vorausgehen. Die „Spaßkultur“ sei eine Suchterscheinung, die entstehe, wenn das Leben schwinde, sie verschleiere nur, daß die Gesellschaft in einem leichenblassen Zustand dahindämmere.

Zerfällt das Theater von außen oder innen?

Anna Badora, die Intendantin des Düsseldorfer Schauspielhauses, fand, die „Spaßkultur“ biete den Menschen den Schein von Gemeinschaft und eine Existenzbestätigung durch krampfhaftes Gelächter. Peter von Becker, Redakteur von Theater heute und mittlerweile auch des Berliner Tagesspiegel, machte die Nazis für die Zerstörung des Pathos und die Medien für die Auflösung der Scheu vor dem Unglück als Voraussetzungen der Tragödie verantwortlich.

Der Regisseur und Theaterautor Einar Schleef hingegen, der in Düsseldorf derzeit Oscar Wildes „Salome“ probt, meinte, die Sprechtheater seien vom inneren Zerfall bedroht. Die Finanzmisere verdecke nur den künstlerischen Bankrott.

Auch auf Differenzierung war man bedacht. Natürlich gab es Plädoyers für das Komische, aber in der Form des Beckett-Zitates „Nichts ist komischer als das Unglück“. Natürlich wurde des notorischen Humordefizits der Deutschen gedacht, der Mangel an Komödie beklagt. Peter von Becker forderte sogar – hart an der Grenze zum verbalen Fraternisieren mit dem Feind! – eine „Kunst des Spaßes“ oder „Kultur des Witzes“.

Schaden ihm TV, Musicals und Bochum?

Kein Mangel an gescheiten Analysen. Aber was wurde analysiert? Der Feind, auf den da eingedroschen wurde, wo stand er? Natürlich, da sind das Fernsehen und das Musical, die beliebtesten Prügelknaben im Theater. (Frau Badora sieht übrigens nicht fern, Herr Schleef aber wohl, und Herr von Becker findet sogar die Simpsons toll, war zu erfahren.) Das Wort „Bochum“, wo sich das von Leander Haußmann geleitete Theater ausgiebig mit dem Begriff „Spaß“ zu legitimieren versucht, nahm derweil keiner der edlen Herren samt Dame in den Mund.

Also: Spaß beiseite. Her womit? Anna Badora empfahl: Vitalität gegen die Angst. Aber woher nehmen? Aus der eigenen Arbeit, meint sie. (Wenn man sie dort findet, muß man wohl hinzufügen.) Adolf Dresen, Regisseur und Ex- Intendant, plädierte für: kämpfen! (Aber wie, darf man wohl fragen.) Einar Schleef dagegen kategorisch: schließen! (Das gilt aber wohl nur für die Theater, an denen er nicht gerade inszeniert, darf man vermuten.)

Hauptsache, der Feind ist analysiert?

Die Einigkeit im Unbehagen an der Spaßkultur war das einzig nennenswerte Resultat. Doch wer nur den Feind analysiert, kann keine Strategie entwickeln. Wer über die Spaßkultur hinauswill, muß das analysieren, was tatsächlich über sie hinausgeht. Was Theater heute anderes sein kann als ein Jux, läßt sich nicht voraus erdenken, aber es läßt sich beobachten. Zu analysieren wäre das, was heute auf dem Theater anders als nur spaßig sich entwickelt.

Wenn man so ganz genau schon weiß, wie unsere Gesellschaft heute ist, muß man fragen, was das Theater heute darin sein kann, und dann, was es darin sein soll. Ohne Können kein Sollen. Gerhard Preußer