Bayern umgarnt Abtreibungsärzte

■ Um ein Eingreifen des Verfassungsgerichts zu verhindern, verspricht CSU-Regierung Abtreibungsärzten Schadenersatz

Karlsruhe (taz) – Mit allen Mitteln versucht die bayerische Staatsregierung ihr Sondergesetz gegen spezialisierte Abtreibungskliniken zu retten. Um eine einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts zugunsten zweier betroffener Ärzte zu verhindern, griff Bayerns Sozialministerin gestern tief in die Trickkiste. Sie versprach den Ärzten „Schadenersatz“, falls sie ihre Praxen jetzt dichtmachen müssen, später aber mit ihren Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe Erfolg haben sollten. Ein Vorschlag, der nach Ansicht von Prozeßbeobachtern bislang beispiellos ist.

Die Verfassungsbeschwerde der beiden Ärzte Andreas Freudemann (Nürnberg) und Friedrich Stapf (München) richtet sich gegen ein Landesgesetz, wonach bayerische Ärzte und Krankenhäuser nur noch 25 Prozent ihrer jährlichen Einkünfte aus Schwangerschaftsabbrüchen erzielen dürfen. Ein Gesetz, das ziemlich offen auf die Spezialkliniken von Stapf und Freudemann abzielt. Beide sehen sich akut in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. „Ich müßte den Offenbarungseid ablegen“, erklärte Andreas Freudemann gestern. Mit Millionenaufwand hatten die Ärzte neue Praxen eingerichtet, als 1992 nach dem Abtreibungskompromiß auch in Bayern ambulante Abbrüche möglich wurden. Nach Ansicht der bayerischen Regierung könnten sie in ihren Räumen jedoch ohne weiteres auch andere ambulante Operationen durchführen. Eine Möglichkeit, die die Ärzte so nicht sehen. „Ich bin als Abtreibungsarzt bekannt, wenn ich etwas anderes machen müßte, könnte ich ganz von vorne anfangen.“ Da Stapf aber noch „stark verschuldet“ ist, kann er sich einen solchen Neuanfang nicht leisten. „Ich stünde vor dem Bankrott.“ Die bayerische Regierung will einen juristischen Anfangserfolg der beiden Ärzte auf jeden Fall verhindern. „Die Antragsteller können gar keine Grundrechte geltend machen“, erklärte gleich zu Beginn Bayerns Prozeßvertreter Peter Lerche, „denn die Vornahme von Abtreibungen wird vom Grundgesetz nicht geschützt.“ Doch mit derart brachialer Argumentation wird der Rechtsprofessor wohl kaum Erfolg haben. Deshalb versuchte die Staatsregierung in einem überraschenden Schachzug, den Ärzten den Wind aus den Segeln zunehmen. Per Kabinettsbeschluß verpflichtete sich die Staatsregierung zur Übernahme der Schäden von Stapf und Freudemann, falls deren Verfassungsbeschwerden letztlich doch erfolgreich sein sollten. Der offensichtliche Hintergedanke: Wenn die beiden Ärzte Bayern erst einmal verlassen haben, werden sie wohl auch bei einem späteren juristischen Erfolg nicht zurückkehren. Ohne Stapf und Freudemann, die rund zwei Drittel aller bayerischen Abbrüche durchführen, müßten bayerische Frauen wieder nach Hessen fahren – wie bis 1992.

Ob sich das Gericht beeindrucken läßt, bleibt offen. Schließlich kann eine Regierung keine verbindlichen Haushaltszusagen machen. Der Vertreter des bayerischen Landtags, Thomas Kreuzer (CSU), versicherte immerhin umgehend, daß das Anliegen der Regierung am Landtag nicht scheitern werde. Damit wären zwar die Ärzte selbst klaglos gestellt. Das Interesse der bayerischen Frauen an einer wohnortnahen Versorgung könnte das Verfassungsgericht allerdings bei seinen Überlegungen dennoch berücksichtigen. Eine Entscheidung über den Antrag von Stapf und Freudemann wird frühestens kommende Woche fallen. Christian Rath