Knautschlederne Dienstleistungen

Nische – Fabrik – Labor: Institute in Berlin, Teil 1. Das Goethe-Institut setzt auf das kulturelle Interesse seiner Mitarbeiter und will durch heitere Rollenspiele glücklich machen  ■ Von Fritz von Klinggräff

Das Goethe-Institut Berlin sitzt in der Friedrichstraße 209. Angemessen, denkt man. Aber die Adresse täuscht. So fein mittendrin ist es vis-à-vis der taz auch wieder nicht. Der Standortwechsel Anfang der Neunziger – raus aus dem alten Zentrum am Bahnhof Zoo, rein nach Boomtown – war eher schlau als mutig. Fünfzig Meter westlich des Checkpoint Charlie blieb man mit einem Fuß noch im Trocknen.

Das Unternehmen Bildung ist Bestandssicherung. Mit Denken hat das nichts zu tun. Soll es auch nicht. Nicht jedes Institut ist ein Forschungslabor. Das Goethe-Institut ist eine Serviceeinrichtung im Dienst des nationalen Erbes und des Großen Deutschen Sprachdiploms. Letzteres immerhin setzt Kenntnisse voraus, bei dem deutsche Abiturienten mit den Ohren schlackern. Von „Kaspar Hauser“ bis zum „Dösbaddel“ geht das quer durchs deutsche Bildungsgut, grundsätzlich aber regiert der elaborierte Code.

Im Berliner Goethe-Institut ist der Welt großbürgerlicher Mittelstand versammelt. Akademiker, Lehrer, Manager – jeder dritte Schüler ist Stipendiat, sei es als Postgraduierter über den DAAD, als Habilitant bei der Alexander- von-Humboldt-Stiftung oder als ein „verdienter, bewährter und engagierter Teilnehmer“ aus einem der 150 Auslandsdependancen von Goethe, so der Berliner Institutsleiter Franz Xaver Augustin.

Ich sitze beim Chef im Knautschleder. Der Verkehr braust durchs Mikro, und Franz Xaver Augustin ist von routinierter Freundlichkeit. Von arrogantem Klüngel, Standarderfahrung deutscher Besucher der Goethe- Institute in In- und Ausland, keine Spur. „Das mußte vielen im Haus erst langsam klarwerden, daß wir eine Dienstleistungseinrichtung sind. Daß wir Kunden haben, die wir glücklich machen müssen. Und daß jeder Dünkel in einer öffentlichen Bildungseinrichtung völlig fehl am Platz ist.“

Selbst den Goethes nämlich geht's nicht mehr so gut. Den Auslandsinstituten, die als Zuwendungsempfänger an Kinkels Tropf hängen, sowieso nicht. Aber auch im Inland lebt der Verein seit 1992 vom Eingemachten. In Berlin mit Defiziten um die drei Millionen. „Weniger wegen Hoyerswerda“, sagt Franz Xaver Augustin, „sondern vor allem wegen der Währungsverschiebungen“. Nach Dollarsturz und Lira-Abwertung wurde der Exportartikel „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF) aus dem feinsten Sprachlabor Deutschlands manch einem zu teuer.

„Tatütata!“ – unter der Chefetage rast die Feuerwehr vorbei und unterbricht für einen Moment das Gespräch. Man ist hier der Welt ein wenig mehr ausgesetzt als einst im alten Domizil in der Hardenbergstraße. Nach dem Einbruch von 1992 wurde ein billigeres Haus bezogen, ein Sozialplan wurde erstellt, Mitarbeiter gingen freiwillig ins Ausland. Jetzt trägt sich das 35köpfige Unternehmen fast wieder selbst. 1996 kamen 650 Leute in die sprach- und landeskundlichen Seminare, jeder von ihnen brachte dem Vereinsportemonnaie mindestens 1.500 Mark. Die Tendenz ist leicht steigend. „Zur Zeit“, diagnostiziert Herr Augustin, „verzeichnet Berlin trendhaft eine leichte Zunahme des Interesses.“

Man gönne dem Mann seinen Zweckoptimismus. Auf seinen Prospekten – „Deutsch lernen in Berlin“ – prangt das Brandenburger Tor graugrün vor einem prächtigen Morgenrot. Na also? Nein: Irrtum. Der Blick geht nach Westen.

Herr Augustin ließ sich vor anderthalb Jahren aus der Außenstelle Indien ins Zentrum versetzen. Fragt man ihn nach seiner Rückkehrer-Erfahrung, so erzählt er von der „totalen Verfügbarkeit: Unser Versuch, aus Indien etwas mitzubringen – seltene Nahrungsmittel, kleine Kostbarkeiten –, scheiterte immer wieder: Es ist alles schon da. Das totale Gemansche.“ Gern unterstreicht er dagegen die Multikultur in seinem Haus. Jenseits von nationalem Erbe und globalem Kladderadatsch. Man ist eben doch nicht nur Sprach-, sondern auch Kulturinstitut.

„Als Sprachschule ist es schwer für uns, so viel besser zu sein, wie wir teurer als die anderen sind“, sagt er. Und weiß, daß man das Niveau nur hält, wenn man Symbol bleibt. Denn natürlich ist im Goethe-Institut der Unterricht kaum besser als anderswo. Daß die Lehrer durch die Bank Akademiker sind, das ist heute auch in der Volkshochschule so üblich. Und einen universitären DaF-Abschluß brauchen sie auch bei Goethe nicht – wichtiger als die „Schmalspurausbildung“, findet man hier, ist, daß der Mitarbeiterkreis ein möglichst breites kulturelles Interesse abdeckt.

Für besser als anderswo nämlich hält Herr Augustin neben den BAT-Gehältern seiner Mitarbeiter vor allem eines: das Niveau seiner Schüler: „Der intellektuelle Anspruch unserer Kursteilnehmer ist erheblich. Gerade Stipendiaten auf dem postgraduierten Niveau erleben die Kurse bei uns als ein glückliches Déjà vu ihrer Schulzeit. Das Flair des Rollenspiels liegt da drüber und macht die ganze Sache sehr heiter. Was in so einem Seminar an Perspektiven zusammenkommt, als Pool sich versammelt, um sich gemeinsam über den Fall Berlin zu beugen, das ist schon phänomenal.“

Goethe-Institut Berlin, Friedrichstraße 209