Jetzt leben hier Kroaten

Erst wenige serbische Flüchtinge aus der kroatischen Krajina sind bislang in ihre Heimat zurückgekehrt  ■ Aus Knin Erich Rathfelder

Manche Fensterläden hängen etwas schief in den Angeln. Und manche der einstmals notdürftig mit Brettern vernagelten Türen stehen offen. Doch viele Gartenzäune sind wieder gerichtet. In den Beeten dieser Vorgärten wachsen Möhren, Kartoffeln und Salat.

Im Dorf Bresbranice bei Knin in der kroatischen Krajina sind einige der 1995 geflohenen serbischen Bewohner zurückgekommen. „Vor Monaten waren es wenige, in den letzten Tagen jedoch sind über 500 Serben heimgekehrt“, sagt Ole Sörensen vom Dänischen Roten Kreuz, das humanitäre Hilfe für die Bedürftigen der Region leistet. Zuletzt hatte US-Außenministerin Madeleine Albright, die heute in Zagreb eintrifft, die kroatische Regierung mit scharfen Worten aufgefordert, die Hürden für die Rückkehr der serbischen Mehrheitsbevölkerung in der Region zu beseitigen.

Marko ist seit 7 Tagen wieder da. Der 68jährige ehemalige Gastarbeiter floh 1995 ins serbisch beherrschte Vukovar in Ostslawonien. Im Frühjahr habe er die kroatischen Papiere erhalten, die für alle Serben Ostslawoniens und die geflüchteten Krajinaserben ausgegeben werden, erzählt der Mann, der sich sichtlich freut, wieder die stechende Sonne und den trockenen Wind zu spüren, der das hiesige Klima auszeichnet. „Es gibt nichts Schöneres, als wieder daheim zu sein.“ Aus seinem Haus sind die Möbel und der Fernseher gestohlen worden. Die zerbrochenen Fensterscheiben sind inzwischen jedoch erneuert, den Garten hat er schon umgegraben. Wenn er mit den Reparaturen fertig ist, wird auch seine Frau nachkommen. Mit der Rente aus Deutschland und der beantragten Rente in Kroatien „können wir überleben“.

Nachbar Milan ist da nicht so optimistisch. Der kroatische Serbe lebt unbehelligt in der kroatischen Hafenstadt Zadar. Jetzt kümmert er sich um sein Elternhaus. Die 85jährige Mutter war zusammen mit ihrer Tochter vor den kroatischen Truppen auf einem Traktor bis nach Belgrad geflohen. Nach fünf Monaten gelang es Milan, die beiden zurückzuholen. „Jetzt kommen nur die alten Leute, für die jungen gibt es keine Arbeit. Welcher Kroate will jetzt serbische Rückkehrer einstellen, wenn selbst Kroaten dringend Arbeit suchen?“

Der Bahnhofsplatz der 15 Kilometer entfernten Stadt Knin ist eine Baustelle. Das Pflaster wird erneuert, die umliegenden Häuser sind schon renoviert. Die Stadt hat trotz der Wirren des Krieges ein schmuckes Aussehen bewahrt. Auf den Burgzinnen hoch über der Stadt weht eine riesige kroatische Fahne. Jetzt leben hier Kroaten. Die meisten von ihnen sind selbst Flüchtlinge, die aus Nord- und Zentralbosnien vertrieben wurden. Sie sind auf die serbischen Rückkehrer nicht gut zu sprechen. „Ich wohne jetzt mit meinen Kindern in einer Wohnung, die einer serbischen Familie gehört. Was soll ich machen, wenn die zurückkommt?“ Der 39jährige ehemalige Architekt Mate ist Arbeiter auf der Baustelle und froh um diesen Job. „Die bosnischen Serben lassen uns nicht zurück nach Hause, die aber kommen jetzt hierher.“

Zwischen Zagreb und Belgrad wurde am Dienstag vereinbart, wenigstens 100.000 Serben die Rückkehr zu ermöglichen. Das 1995 erlassene kroatische Gesetz allerdings, wonach „verlassener“ und inzwischen „besetzter“ Wohnraum für 10 Jahre den „Besetzern“ überlassen wird, soll nicht verändert werden. „In den Städten der Krajina haben deshalb Serben nur geringe Aussichten, in absehbarer Zeit wieder Fuß zu fassen“, sagt Benny Otim, Chef der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR in Knin. Zudem klagen die humanitären Organisationen über die Praxis von kroatischen Behörden, just zu dem Zeitpunkt serbische Häuser von Kroaten „besetzen“ zu lassen, wenn die Listen der Rückkehrwilligen bekannt würden.

Damir lacht. Der aus einer gemischt serbisch-kroatischen Familie stammende Photograph hat Knin nie verlassen, 1991 nicht, als die serbischen Radikalen die Kroaten vertrieben, 1995 nicht, als die Serben in Panik vor der kroatischen Offensive geflohen sind. „Ich bin ein exotisches Exemplar.“ Die Nationalisten wollten „ethnisch reine Gebiete“ schaffen, erklärt er. „Die Stadt Knin wird aber jetzt schon Bosanski Novi, neues Bosnien, genannt.“ So viele Bosnier lebten jetzt hier. In dem Dorf Kistanje würden zudem Hunderte von Kroaten aus dem Kosovo angesiedelt. „Unterschiedliche Dialekte und Mentalitäten haben wir jetzt hier. Es ist also eine neue Mischung entstanden.“