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Streik und Totentanz in Tegel

Abflug drei Stunden später: Gewerkschaft ÖTV und 1.000 Beschäftigte bestreikten gestern alle Flughäfen, um Kündigungsschutz und Gehaltssicherung für den Fall der Privatisierung zu erkämpfen  ■ Von Hannes Koch

Händeringend sucht die Mitarbeiterin der französischen Fluggesellschaft Air France 13 Passagiere. „Wollen Sie nach Paris fliegen?“ fragt sie jeden, der ihr im Abfertigungsgebäude Tegel über den Weg läuft. Die Nachforschungen sind nur von geringem Erfolg gekrönt: Offensichtlich haben die Reisenden ihre Tickets wegen des Warnstreiks der ÖTV storniert. Statt eines Durcheinanders herrschte gestern von fünf bis acht Uhr Totentanz auf dem Flughafen.

Nicht nur in Tegel hingen die Gewerkschaftsplakate. Auch in Tempelhof und Schönefeld starteten und landeten drei Stunden lang keine Maschinen. 3.000 Reisende waren nach Angaben der Flughafen Holding (BBF) von Verspätungen betroffen. Die Hälfte der 2.000 BBF-Beschäftigten warnstreikten, um Kündigungsschutz und Gehaltssicherung im Falle der Privatisierung der staatlichen Holding durchzusetzen.

Dank der rechtzeitigen Ankündigung des Streiks konnten die Fluggesellschaften reagieren: Noch am Mittwoch abend riefen sie die Passagiere an und teilten ihnen mit: „Ihre Maschine fliegt später.“ Wer nicht erreichbar war, wurde von freundlichen MitarbeiterInnen bei Ankunft am Flughafen sofort in abgeschiedene Warteräume gelotst. Wütende Touristen, die von einer Woche Tenerifa einen halben Tag einbüßten, suchte man vergebens.

Doch auch die Gewerkschaft trug ihren Teil zur Chaosvermeidung bei. Gestern beging das katholische Deutschland den Fronleichnamstag, so daß der Warnstreik kaum von Geschäftsreisenden gestört wurde. 200 ÖTVler übernahmen die Verkehrsregelung am Straßenzubringer nach Tegel und ließen nur wenige Autos auf die Parkplätze fahren. Danach zogen die Streikenden ins Abfertigungsgebäude, wo sie Gelegenheit hatten, mit BBF-Geschäftsführer Kilian Krieger zu diskutieren. Der markierte den Unwissenden: „Warum streiken Sie?“ Dann räumte er ein: „Wir brauchen einen Privatinvestor, um den Großflughafen Schönefeld zu bauen.“

Das ist der springende Punkt. Investoren finden sich leichter, wenn sie nicht alle BBF-Beschäftigten übernehmen müssen. Die ÖTV fordert deshalb einen neuen Tarifvertrag mit Kündigungsschutz für alle und der Garantie, daß die Löhne und Renten auch nach der Privatisierung in bisheriger Höhe weitergezahlt werden. Die Holding dagegen ist nur bereit, eine rechtlich weniger bindende Vereinbarung abzuschließen. Bei Redaktionsschluß verhandelten die Kontrahenten noch.

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