„Die Platte muß jetzt weg“

■ Der Stadtentwickler Frank Hein aus Schwedt muß sich mit verlassenen Wohnungen plagen: Sie sollen abgerissen werden

Schwedt an der Oder wurde als sozialistische Musterstadt Ende der fünfziger Jahre aus dem Boden gestampft. Gut 55.000 Menschen böte die Stadt Platz, heute leben noch 45.000 dort. Zu 95 Prozent bestimmen Plattenbauten das Stadtbild. Einige der Häuser sollen nun abgerissen werden, weil zu viele Menschen wegziehen. Derzeit stehen mindestens 2.000 Wohnungen leer. Die Stadtverwaltung erarbeitet derzeit einen Abrißplan.

taz: Was am Reißbrett geplant wurde, erweist sich heute als unattraktive Wohnform. Verträgt der Mensch das Leben im Plattenbau nicht mehr?

Frank Hein: Nein, die Wohnungsbestände passen nur nicht mehr mit der Nachfrage überein. Die Menschen gehen, weil sie woanders entweder Arbeit gefunden haben oder weil sie so gut dastehen, daß sie sich 30 Kilometer von hier, im Speckgürtel um Berlin, ein Haus bauen können.

Bleiben in den Plattenbauten so nur sozial schwache Mieter übrig?

Schwedt ist eine einzige Plattenbausiedlung. Hier wohnt immer noch der Arzt neben dem Arbeitslosen. Und das wird auch so bleiben. Aber wenn die Bevölkerung weiterhin abnimmt – jährlich gehen etwa 6.000 Leute – und wenn zugleich mehr Eigenheime gebaut werden, sind das Faktoren, die gegen eine wachsende Nachfrage sprechen.

Warum suchen Sie denn keine Nachmieter im nahen Polen?

Von den Polen will doch keiner herziehen. Hier ist denen das zu teuer.

Leerstand ist teuer. 1.000 solcher Wohnungen kosten 200.000 Mark im Jahr. Ihre Abrißpläne würden 18 Millionen Mark verschlingen. Finden Sie diese Lösung wirtschaftlich?

Zahlen kann ich nicht nennen. Aber sicher muß uns das Land unterstützen.

Der brandenburgische Bauminister Bauer hat Schwierigkeiten, Steuermittel zum Abriß und nicht zum Aufbau von Wohnungen einzusetzen.

Wir sind doch den Notwendigkeiten erlegen. Wir haben alles probiert, die Leute zu halten. Jetzt muß man auch mal in größeren Dimensionen denken. Langfristig, so auf 30 Jahre gerechnet, kann sich das rentieren. Und städtebaulich ist uns doch nicht genützt, wenn wir anfangen, leerstehende Wohnungen zuzumauern. Wenn der Leerstand anfängt, sich auf die Wohnqualität auszuwirken, muß die Platte weg.

Sagen Sie jetzt: Wir setzen die Mieter aus den häßlichsten Hochhäusern um und sprengen anschließend die Bauten in die Luft?

Kurz gefaßt: So muß man da rangehen. In der Praxis sieht das anders aus. Wir müssen auswählen. In welchen Gebäuden gibt es die größten Probleme, welche lassen sich städtebaulich gesehen herausnehmen? Zunächst aber muß man den Leerstand konzentrieren.

Planen Sie Schwedt am Reißbrett neu?

In der Regel sind die Plattenbauten alle gleich oder ähnlich. Trotzdem habe ich grundsätzlich nichts gegen Elfgeschosser. Das ist ja auch eine Wohnform, die wichtig ist. Aber es gibt welche, die können einfach weg; und es gibt welche, die muß man auf drei oder fünf Geschosse abtragen. Wie wir das angehen werden, müssen unsere Untersuchungen zeigen.

Machen die Schwedter da mit?

Zwar sagen alle: Wohnungen müssen abgerissen werden. Nur das Umsetzen ist schwer. Viele sagen: Ja, aber nicht meinen Block.

Wie wollen Sie die Leute überzeugen?

Man muß ihnen eine bessere Wohnung in Aussicht stellen.

In welchen Zeiträumen denken Sie?

In anderthalb Jahren muß die eigentliche Planung abgeschlossen sein. Interview: Annette Rogalla