■ Frosch-Affäre macht Wetterkanal zu schaffen: Volkssturm im Wasserglas
Ein Wetterfrosch hat die Leiter geschultert, richtet einen Trommelrevolver auf seinen Kopf und reißt die Augen auf. Der Hahn ist schon gespannt, gleich wird der tödliche Schuß fallen – mit diesem flächendeckend plakatierten Bildmotiv macht der neue Wetterkanal auf sich aufmerksam: „Der Wetterkanal ist da. Nirgendwo ist das Wetter besser.“
Der arbeitslose, suizidgefährdete Frosch sorgt zur Zeit für einen Volkssturm im Wasserglas. „Hier wird ein verzweifeltes Tier dem Gespött preisgegeben“, heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen Umwelt-Bundes (DUBU). „Wenn ein Frosch mit einer Schußwaffe in Zusammenhang gebracht wird, hört für uns der Spaß auf. Es ist makaber und geschmacklos, mit Witzen über das Artensterben höhere Einschaltquoten erzielen zu wollen. Dieser Verrohung der Sitten muß Einhalt geboten werden.“
Noch etwas höhere Wellen hat die Frosch-Affäre im Niedersächsischen Lurchschutzverband geschlagen. Eine vom Präsidenten Winfried Breit herausgegebene Presseerklärung in Sachen Wetterkanal-Reklame wurde bei der Mitgliedersitzung in Uelzen am vergangenen Montag als „kompromißlerisch und im Ton zu lasch“ bewertet. Winfried Breit ist inzwischen zurückgetreten. Hella Koch, seine in Lurchschützerkreisen als Hardlinerin bekannte Nachfolgerin, hat bereits energische Schritte angekündigt. Es soll Anzeige erstattet werden. Ein Boykottaufruf und eine Mahnwache sind in Vorbereitung.
Zu einer Schweigeminute am kommenden Sonntag um 12 Uhr hat die Europäische Liga für Artenschutz (EULA) aufgerufen. Gemeinsam wollen die Mitglieder von DUBO und EULA anschließend einen Sternmarsch zur Düsseldorfer Zentrale des Wetterkanals durchführen. Auf dem Programm der Demonstranten stehen unter anderem eine Kranzniederlegung und ein „Froschkonzert“.
Militante Froschfreunde halten aber auch solche Maßnahmen für unzureichend. In einem zweiseitigen, am Dienstag in Lingen verteilten Flugblatt der Organisation K.R.Ö.T.E. („Kämpferisch-Radikale Ökologen/Tupamaros Emsland“) wird der Wetterkanal mit der NSDAP verglichen, weil er „im besten Stürmer-Stil eines Joseph Goebbels“ zur Gewalt gegen Wirbeltiere aufrufe. Darauf wollen die emsländischen Aktivisten mit Gegengewalt antworten. „Wir werden mit allen Mitteln für schlechtes Wetter sorgen“, versprechen sie. „Der Wetterkanal kann sich auf eine Gewitterfront gefaßt machen. Wir wollen nur noch eins. Laichen!“
Dem Protest gegen den Wetterkanal haben sich unterdessen auch Bündnisgrüne aus Lübeck und der Reptilienfonds des Vereins Freunde der Fauna e.V. sowie zahlreiche Prominente angeschlossen, unter anderen Ralph Giordano, Jutta Ditfurth, Jürgen Fliege, Heinz Sielmann, Inge Meysel, Jörg Kachelmann und Loki Schmidt. Gefordert wird nicht nur die sofortige Einstellung der froschfeindlichen Werbekampagne, sondern auch eine offizielle Entschuldigung des Wetterkanals vor dem „Weltparlament der Tiere“, das im August in Lindau am Bodensee zusammentreten wird. Dort wollen Naturschützer aus aller Welt erstmals eine „Tierlobby“ konstituieren. Ganz frisch auf der Tagesordnung: die Frosch-Affäre.
Unterstützung erhält der Wetterkanal vorläufig nur aus Frankreich, dem Land der Froschfresser, wo man mit den putzigen, grünen Tierchen traditionell recht ruppig umzuspringen pflegt. Aus Villefranche an der Côte d'Azur hat Wolfram Siebeck der neuen Lurchschutzverbandspräsidentin Hella Koch gefaxt, sie soll „kein Frosch sein“, sondern sich „gehackt legen“. Stellungnahmen des Wetterkanals zur Frosch-Affäre können unter der Nummer 0211/930 88 88 abgefragt werden. Gerhard Henschel
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