■ Deutschland mauert gegen EU-Beschäftigungsprogramm
: Bonner Rechthaberei

Noch so ein Kapitel deutscher Oberlehrerei, das die europäischen Unionsfreunde allmählich unangenehm finden: Bonn weigert sich noch immer, in den Schwur zum Euro auch ein Kapitel über eine gemeinsame Beschäftigungspolitik aufzunehmen.

Bei dieser Mauertaktik stand der Bonner Regierung lange John Major zur Seite. Doch nun scheint sie ziemlich allein dazustehen. Ihre Ablehnung eurosozialer Vertragselemente, die die deutschen Standort- Pauker bisher geschickt hinter anderen verstecken konnten, wird unter der neuen Konstellation in der Marktgemeinschaft geoutet. Die Linksregierung Frankreichs, die dabei auch den Segen von Europa- Altmeister Delors hat, beharrt auf einem einschlägigen Text. Und New Labour in London hat signalisiert, daß es sich einer Mehrheit für das Beschäftigungskapitel beigesellen könnte. Wenn die Regierungen demnächst in Amsterdam bei der vorletzten Euro-Runde beschließen sollten, worauf sich ihre Stäbe weitgehend geeinigt haben, wird es mit der deutschen Obstruktion ohnehin vorbei sein. Dann sollen nämlich in sozial- und arbeitspolitischen Fragen Mehrheitsbeschlüsse des Europäischen Rats der Regierungschefs möglich sein. Die Deutschen stellen sich also mit ihrem Widerstand gegen jenes Kapitel unnötig bloß.

Unnötig ist dies auch, weil es einstweilen noch um symbolische Politik geht, wie übrigens auch bei der Sozialcharta. (Weshalb es Tony Blair nicht viel kostet, dabei mitzumachen.) Denn Brüssel hat weder das Geld noch die Kraft, eine eigene Beschäftigungspolitik, die auch Industriepolitik sein müßte, zu organisieren. Zudem haben die nationalen Regierungen hinreichend politischen und wirtschaftlichen Spielraum, um zugunsten von mehr Beschäftigung zu kooperieren. Sind schon nationale Bündnisse für Arbeit, also der Verzicht von Arbeitsbesitzern zugunsten neuer Arbeitsplätze, eine höchst schwierige Sache, so erst recht übernationale. Härter als je zuvor konkurrieren ja die Staaten und ihre Arbeitnehmerschaften gegeneinander, vor allem durch Steuerdumping oder Rückbau sozialstaatlicher Rechte. Und Arbeitsbeschaffungsprogramme durch gemeinsamen Verkehrswegebau und dergleichen – solche Hoffnungen müssen sich auch alle vereinigten Sozialdemokratien Europas abschminken.

Ein wenig rhetorische Geschmeidigkeit fürs Eurosoziale könnten sich die Bonner durchaus leisten. Doch der Drang des alten boche zur Rechthaberei ist noch immer stärker. Claus Koch

Der Autor arbeitet als freier Publizist in Berlin