Schmutz oder Illusion

■ „Orte und Nicht-Orte“: Eine Lesung mit Hans-Jürgen Heinrichs und Michael Roes

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen – zweifellos haben Reisen und Schreiben vieles gemeinsam: Sie ermöglichen gedankliche und wirkliche Abenteuer, Selbstentdeckungen und Fremdheitserfahrungen. Claude Lévi- Strauss hat diesen Sehnsüchten eine schneidende Absage erteilt: „Was uns die Reisen Ä...Ü zeigen, ist der Schmutz, mit dem wir das Antlitz der Erde besudelt haben. Ä...Ü Sie geben uns die Illusion von etwas, das nicht mehr existiert.“

Ein schreibender Reisender wie Hans-Jürgen Heinrichs trotzt solcher Haltung und bekennt: „Ich reise, also bin ich. Weg.“Mit seinem Feuerland-Projekt. Über das Reisen legt er eine imaginäre Reise vor, verfolgt darin seine „Idee einer poetischen Geographie und einer Ästhetik des Diversen“. Heinrichs' Textmontage changiert zwischen Wortströmen und Reflexionsbewegungen, umfaßt eigene und fremde Sentenzen über das Reisen ebenso wie Notate und Gedichte. Im Feuerland-Projekt mündet die Annäherung an eine Traumreise in eine reflexive, geträumte Reise.

Auch das Leere Viertel – Rub'

Al-Khali unternimmt eine literarische Annäherung – an den Jemen. „Warum interessiert der westen sich für fremde völker und kulturen? Und rechtfertigt dieses interesse den einbruch in das möglichst unberührte untersuchungsfeld?“Michael Roes hat einen Wechseltext geschaffen, indem er die Erfahrungen eines heutigen Touristen einwebt in die vermeintlich authentischen Erlebnisse eines Jemen-Reisenden des 18. Jahrhunderts. Mit diesem Kunstgriff wird sein Roman zu einer Zeitreise in die arabische Welt und zugleich zu einer erotisch-ethnologischen Abenteuerreise.

Die schreibenden Reisenden unserer Tag haben also ihre anthropologischen und ethnologischen Basistexte im Gepäck, haben unzählige Reisetexte aufgesogen und hinterfragen selbstverständlich auch den eigenen Eurozentrismus. Ihre Kunst aber macht die Zerstörung vergessen, mit der wir die Welt überziehen. Frauke Hamann

Lesung: heute, 20 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38