Spähangriff auf Scientology

■ Der Verfassungsschutz soll die Sekte bundesweit beobachten – mit V-Leuten und abgehörten Telefonen. Union und SPD sind begeistert, die Bündnisgrünen bestürzt

Bonn (taz) – Ab Oktober soll die Scientology-Organisation von allen Landesämtern für Verfassungsschutz beobachtet werden. Eine Arbeitsgruppe der Landes- innenministerkonferenz hat nach Informationen der taz eine entsprechende Empfehlung abgegeben.

Auf der heute und morgen tagenden Innenministerkonferenz wird eine zustimmende Entscheidung erwartet. SPD und CDU äußerten sich über die Vorentscheidung erfreut, die Bündnisgrünen reagierten bestürzt.

Auch Bundesinnenminister Manfred Kanther hat seine Bedenken gegenüber einem Einsatz der Verfassungsschutzbehörden aufgegeben. Das Kölner Bundesamt soll offenbar ebenfalls für die nachrichtendienstliche Beobachtung von Scientology eingesetzt werden. „Nachrichtendienstlich“ steht für den Einsatz von V-Leuten, Wanzen und Telefonüberwachungen. Bisher hatte Kanther davor gewarnt, die Mitglieder von Scientology zu Märtyrern aufzubauen. Zudem befürchtete er, daß Scientology beim Karlsruher Bundesverfassungsgericht gegen die Beobachtung klagen und recht bekommen würde.

Manfred Such von den Bündnisgrünen bezeichnete die Beschlußvorlage als „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Verfassungsschutz“. Strafverfolgungs- und Fachbehörden reichten aus, um die „von Scientology ausgehenden Gefahren“ zu bewältigen. Gefährdet seien allein diejenigen Menschen, die sich von der Sekte ködern ließen und dann finanziell ausgenommen würden. Bereits jetzt gebe es genug Instrumentarien, um gegen die Organisation vorzugehen. Der Einsatz von Apparaten, die einer „Gehirnwäsche“ dienten, so Such, verstoße etwa gegen das Heilpraktikergesetz.

Die sektenpolitische Sprecherin der SPD, Renate Rennebach, bezeichnete die Beobachtung von Scientology durch den Verfassungsschutz als „lange überfällig“ und begründete dies mit den Worten: „Sie werfen uns vor, Faschisten zu sein, lügen und begehen Rufmord.“ Angst mache ihr vor allem der Einfluß der Sekte in den Vereinigten Staaten. Sie habe das selbst zu spüren bekommen, als sie in einer Resolution des US-amerikanischen Kongresses im Zusammenhang mit Scientology falsch zitiert worden sei. Das Zitat habe Scientology lanciert.

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Erwin Marschewski, sprach von einer „ganz positiven“ Vorentscheidung. Bei Scientology handele es sich um eine „totalitäre, faschistische Organisation“, deren Ziel die Weltherrschaft sei. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist auch nach Auffassung des niedersächsischen Innenministers Gerhard Glogowski (SPD) nur bundesweit sinnvoll. Wenn das Bundesinnenministerium dies befürworte, werde sich sein Bundesland anschließen. Markus Franz

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