■ Die 80er Jahre: Rosarote Wolke
In fünf Jahren wollten sie silberne Hochzeit feiern. 25 Jahre „Ehe“, 25 Jahre Alfred & Ralf. Es kam alles anders.
Es war Liebe auf den ersten Blick. 1977. Ein halbes Jahr später. Ralf, der Konditormeister, und Alfred, der kaufmännische Angestellte, gehen das erste Mal ins Bett. 1983 kaufen sie eine kleine Bäckerei in Charlottenburg, richten ein kleines Café in Moabit ein – Deyke und Glamann sind erfolgreich. Sie können sich alles leisten, eine Eigentumswohnung im Hansa-Viertel, ein Motorrad für 15.000 Mark mal so nebenbei. Und: Sie haben sich. Das Geschäft geht gut, die Torten von Ralf gehen noch besser. Brote und Schrippen werden en masse verkauft und auch außer Haus geliefert. „Es war ein Leben in einer schillernden Seifenblase, auf einer rosaroten Wolke“, sagt Alfred Glamann (57) heute.
Alfred und Ralf – sie leben in einer schwulen Welt, jenseits der Szene. Ralf geht früh um zwei in die Bäckerei, Alfred steht um vier auf, er managt das Geschäft. Sie arbeiten, bis sie müde werden. Sie schlafen abends, Arm in Arm, beizeiten ein. Zeit für Partys, Zeit für ein ausgeflipptes schwules Leben bleibt ihnen nicht viel. Seitensprünge gibt es nicht. „Wir hatten uns. Wir waren zufrieden“, sagt Alfred.
Alfred Glamann Foto: Rezende
Das schwule Leben der 80er Jahre erlebt Alfred Glamann zwischen Bäckerei und den eigenen vier Wänden. „Von Aids habe ich erst sehr spät erfahren.“ Eigentlich erst mitte der 80er durch eine seiner Verkäuferinnen, die über einen Kunden sagte: „Da kommt wieder die Aids- Baracke“. Alfred schrie die Dame so richtig an.
Daß Alfred und Ralf zusammengehören, daraus haben sie nie einen Hehl gemacht. Aber: Sie haben ihre Homosexualität nie zur Schau gestellt. Das Café Deyke war kein schwules Café. Als die Frauen bei der Übernahme des Cafés immer wieder sagten: „Frau Schmidt hat das früher so und so gemacht“, da haute Alfred auf den Tisch und sagte lautstark: „Jetzt gibt es keine Frau Schmidt mehr, sondern nur noch Deyke und Glamann.“
15 Jahre war für Alfred Glamann die Welt rosarot. 1992 platzte die Seifenblase. Ralf ging zu einem anderen, und das Geschäft ging kaputt. Heute hat sich Glamann wieder gefangen. Durch die ehrenamtliche Arbeit bei der Berliner Aids-Hilfe hat er gelernt, daß seine eigenen Probleme eigentlich gar nicht so wichtig sind. Jens Rübsam
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