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Im Fanclub der Sehnsucht

■ Funny van Dannen sang im Lagerhaus von Willy Brandt, Fruchtfliegen und der Übermacht der menschlichen Gene

Es ist schier beängstigend, wie sich scheinbar jeder auf die Verehrung Funny van Dannens einigen kann. Seine Lieder, die von unbekannten Pferden in der Fremde und heimlichen Besuchen von Nana Mouskuri-Konzerten handeln, werden begeistert von Alt-Rockern wie Jung-Punkern gecovert, und selbst die blöde Jugend-WG aus der TV-Lindenstraße trällerte beim Renovieren steinerweichend van Dannens „Als Willy Brandt Bundeskanzler war“.

Ihre volle Wirkung entfalten diese Liedermacher-Lieder, die die übliche Liedermacher-Mentalität an der Nase herumführen, jedoch erst, wenn sie von ihrem Schöpfer selbst vorgetragen werden, wie dieser am Donnerstag im Lagerhaus unter Beweis stellte.

Dabei mochte man zunächst Zweifel hegen. Der Mann hatte die Ruhe weg. Lange brauchte er, um seine Gitarre zu stimmen, wobei er überraschend unbeholfen herumwitzelte, aber als er schließlich losschrammelte, hatte er das Publikum im Nu eingenommen.

Kein Wunder bei so spannenden Geschichten wie der vom traurigen nackten Arschloch, das regungslos in der Gegend herumsteht, weil es sich in Wirklichkeit lediglich um die Skulptur eines traurigen nackten Arschlochs handelt. Da fragt der Liedermacher sich: „War es nur ein Traum, oder war es Kunst im öffentlichen Raum?“

Verständnis hätte er für beides, denn Verständnis hat er für alles. Für Gene zum Beispiel: „Gene kommen, Gene gehn, ich kann die Gene gut verstehn.“Gene waren eines seiner Lieblingsthemen.

Bei Fruchtfliegen, so erzählte er als Einleitung zu einem Song über die kleinen Racker, sei ein einziges Gen für den Geschlechtsverkehr zuständig; Frauen seien da differenzierter. Ein weiteres neues Lieblingsthema Funny van Dannens ist die Religion, weil einem nach Aussagen des Künstlers nichts anderes mehr einfällt, wenn man auf die 40 zugeht.

Gleich drei Lieder kamen biblisch daher: Der Leidensweg Jesu wurde vertont („er war ein Verlierer, er war ein Star“), die Passagierauswahl für die Arche Noah („die fiesen Pitbulls da lassen, die niedlichen Dackel mitnehmen“) und die unglückliche Liebesbeziehung zwischen Jesus und Tarzans Witwe Jane, die daran scheiterte, daß der Herr des Dschungels und Jesus zwar die selben Hosen trugen, aber sonst total unterschiedliche Typen waren.

All das und eine Bonus-Lesung als letzte Zugabe bot van Dannen mit einer Begeisterung, als hätte er sich diese Lieder gerade eben erst ausgedacht und nicht schon das ganze Land auf und ab damit bespielt. Gerne lachte er beim Singen über seine eigenen Pointen oder lächelte schuldbewußt, wenn ein Reim nur mit zugedrücktem Auge funktionierte. Ob natürlicher oder einstudierter Charme soll egal sein. „Wo ist der Fanclub der Sehnsucht geblieben?“, wimmerte der Ex-„Lassie Singers“-Gitarrist zum Abschluß.

Wenn Funny van Dannens Lieder die Sehnsucht sind, konnte das nur eine rhetorische Frage sein.

Andreas Neuenkirchen

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