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Herausfordernd, nicht schön

■ Imagewerber Volker Hassemer zur Lage der Hauptstadt

Tourismus ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor der Großbaustelle Berlin: 7,4 Millionen Übernachtungen wurden im vergangenen Jahr gezählt, verteilt auf 46.000 Betten. Das lohnt sich: Der durchschnittliche Besucher ist 2,4 Tage in der Stadt und gibt in dieser Zeit 720 Mark aus. Im Jahr sind das 1,9 Milliarden Mark für eine Stadt in einer desolaten finanziellen Lage. Deshalb rührt Berlin kräftig die Werbetrommel in eigener Sache.

Einen großen Teil der Großbaustelle Berlin hat er mitzuverantworten: Bis 1995 war Volker Hassemer Stadtentwicklungssenator. Heute wirbt er hauptberuflich für Berlin: als Geschäftsführer bei „Partner für Berlin“ macht er Image- und Standortwerbung.

taz: Die Atmosphäre in Berlin ähnele der eines Wartezimmers, schrieb vor einiger Zeit der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom. Man warte auf bessere Straßen, auf ein Ende der Baustellenlandschaft.

Hassemer: Da muß ich widersprechen. Hier wird nicht gewartet. Ganz im Gegenteil. Hier wird gemacht und getan, in der ganzen Stadt ist man aktiv dabei, eine neue Infrastruktur zu erichten. Im Wartezimmer haben wir ja nun lange genug gesessen. Wo früher Stillstand war, ist jetzt Aufbruch. Alles ist in Bewegung. Das wären komische Bürger, die sich jetzt einfach nur hinsetzen und warten. Aber natürlich ist Berlin keine Stadt, die bereits irgendwo angekommen ist.

Den meisten Besuchern stellt sich Berlin auch nicht als schöne Stadt dar, sondern als gesichtslos.

Wir sind hier nicht in Dinkelsbühl. Und auch nicht in Schwabing. Berlin hat nicht ein Gesicht, sondern viele. Ich würde die Stadt auch nicht in erster Linie als schön beschreiben, sondern als herausfordernd, interessant, spannend. Es gibt so viele Ecken hier, die es zu entdecken gilt. Leute, die eine Stadt mit einem Gesicht suchen, werden hier aber vermutlich irritiert. Und auch Leute, die dringend ein geordnetes Leben brauchen. Es ist die Vielschichtigkeit, die Widersprüchlichkeit, die fasziniert.

Dennoch fahren die Leute lieber nach Paris oder London.

Schon von der Größe her sind wir keine Metropole wie Paris oder London. Aber wir werben auch nicht mit einer Fassade, sondern mit der Vielfältigkeit. Hier kann man sich auch wohlfühlen, wenn man nicht in die Oper gehen will, keine Kirchen mag oder keine Museen. Hier findet jeder etwas, was ihn interessiert.

Kurt Tucholsky hat Berlin als wahnwitzig gewordenes Dorf bezeichnet. Gottfried Keller schreibt: „Eine Million Kleinstädter bringen nicht sofort einen großen Geist hervor.“ Die Provinzialität hier kann einen erschrecken.

Welche Stadt ist großstädtischer? Wie viele Exemplare verkauft Ihre Zeitung denn in Castrop-Rauxel? Sicher sieht man in Berlin in einigen Bereichen noch ganz handfeste Provinz. Es ist nicht alles nur großstädtisch und offen. Auch dieser Konflikt wird in dieser Stadt ständig ausgetragen. Und auch das ist spannend. Interview: Jeannette Goddar

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