"Tigerenten-Fahrräder sind auch Kult"

■ Barbarella Entertainment vermarktet Fernsehserien. Die Firma verleiht "Star Trek" und alten Heinz-Erhardt-Filmen einen Kultstatus. Heike-Melba Fendel ist der Kopf des Kölner Unternehmens

„cyBer. Macht bloß keinen Kult draus!“

“...wir müssen jetzt ja irgendwann mal ,Kult‘ sagen.“ Irgendwie unwillig, ja geradezu gelangweilt kommt die inflationierte Vokabel über die Lippen von Heike-Melba Fendel. Das überrascht. Schließlich ist die 35jährige mit dem Eisbecher im Namen Mitbegründerin und seit 1994 alleinige Geschäftsführerin der Barbarella Entertainment GmbH, einer in Köln ansässigen Agentur, die sich insbesondere mit der Vermarktung von „Kult“ einen Namen gemacht hat.

Und wer – sagen wir – TV-Serien wie „Star Trek“, die „Simpsons“ oder „Raumpatrouille Orion“ ohne zu zögern als Kult bezeichnet und mit so hübschen Ausnahmeproduktionen wie „Ausgerechnet Alaska“ oder „Die Partner“ oder auch bloß mit Küppersbuschs „privatfernsehen“ mehr verbindet als einen festen Platz in der Programmzeitschrift, verdankt seine gesteigerte Anteilnahme nicht zuletzt der professionellen Einflußnahme durch Barbarella Entertainment. Die Betreuung von TV-Produktionen, die Kultstatus haben, hatten oder haben könnten, ist einer der Schwerpunkte in der Arbeit der Kölner Agentur. „Entwicklung und Vermarktung von Film- und Fernsehprogrammen“ hat sich Barbarella auf die Fahnen geschrieben und neben Beratertätigkeiten für TV- Sender und Produzenten vor allem Aktivitäten der Bereiche PR, Promotion und Events im Angebot.

Wenn Vox beispielsweise – und es ist kein schönes Beispiel – 15 Heinz-Erhardt-Filme als Programmhighlight deklariert, dann sorgt Barbarella dafür, daß der uninteressanten Schnapsidee Beachtung geschenkt wird. Die Agentur gibt kultige „Heinz Erhardt Memorial“-Partys, mit „Wirtschaftswunderkult Schau“, „Easy Listening Vinyl“, „Heinz-Look-a-like- competitions“ [sic] und Eierlikör- Ikone Verpoorten als dankbarem Sponsor. So jedenfalls war es 1996, und so wird es 1997 wieder sein. Abermals recycelt Vox seinen Heinz-Erhardt-Bestand, und bevor Barbarella die „Memorial“- Partys erneut auf Großstadttour schickt, gibt es eine große Erhardt- VIP-Gala, über die zu berichten sich die Promi-, TV- und Event-interessierte Journaille gewiß nicht nehmen lassen wird. Auch dafür wird Barbarella sorgen. Aber wie gesagt: Ein schönes Beispiel ist das nicht.

Angefangen hat es für Barbarella 1991 mit einem weitaus schöneren Auftrag – mit David Lynchs exzeptionellem TV-Serienprojekt „Twin Peaks“ nämlich. Und das war, so „Twin Peaks“-Fan Fendel, mit ihrer damaligen Das-ist-toll- und-ich-möchte-daß-es-viele-wissen-Haltung zugleich der „wohl unschuldigste Ansatz für Promotion“. Gewissermaßen zufällig sei sie seinerzeit (noch als freie Journalistin) auf RTL-Programmchef Mark Konrad getroffen, der ihr erzählte, daß sein Sender gerade „Twin Peaks“ eingekauft hatte. Doch rechnete man bei RTL nicht damit, daß die Serie in Deutschland auch nur annähernd so erfolgreich sein könnte wie im Mutterland USA. „Aber da muß man doch irgendwas machen können!“ habe sie gesagt. Und Konrad: „Na, dann mach doch mal.“

Und so folgte der baldigen Firmengründung gemeinsam mit drei Freundinnen die „schöne Folklore“ rund um den überraschenden Erstauftrag: „Im Abrißhaus – um den Radiator – mit nur einem Computer – das Twin Peaks-Fanzine zusammengeschrubbelt wie in den Tagen der Schülerzeitung...“ Im Alleingang veranstalteten die vier Frauen öffentliche Mitternachts-Screenings, entwickelten mysteriöse Trailer für RTL und hatten mit dem ohnehin außerordentlichen Produkt „Twin Peaks“ bei der Presse leichtes Spiel.

Nun sitzt sie da, im champagnerfarbenen Kostüm, mit korallenrotem Lippenstift, und nennt den anekdotenreichen Start ihrer Unternehmerkarriere rückblickend „den großen Wurf“. Mithin sei Barbarella von den heute rund 50 Konkurrenzagenturen im Segment Programmvermarktung so ziemlich die erste gewesen.

Im wesentlichen unterscheiden sich auch die heutigen Kampagnen nicht von der Arbeit für „Twin Peaks“: Beratung, Trailerentwicklung, Event-Organisation, Interviewsteuerung; noch immer fungiert Barbarella als kreative Schnittstelle zwischen Auftraggeber und Presse. Doch statt im Abrißhaus sitzt Barbarella Entertainment heute in den lichten Arbeitsräumen einer schmucken Jugendstilvilla in der Kölner Innenstadt, und statt der vier gleichberechtigten Gründerinnen sind es ein knappes Dutzend Festangestellte und circa 20 freie Konzeptioner, Graphiker und Texter, mit deren Hilfe die jeweiligen Projekte realisiert werden. Notwendige Informationen holt sich Barbarella ganz traditionell über ein gut funktionierendes Agenturnetzwerk. Auf die Unterstützung durch professionelle Trendscouts jedenfalls wird (mangels Überprüfbarkeit ihrer Prognosen) von vornherein verzichtet. Da vertraut man lieber auf den Tip eines zuverlässigen Bekannten vor Ort.

Doch der Enthusiasmus der Gründerzeit scheint inzwischen reflektierter Routine gewichen, vor allem bezüglich des für Barbarella klassischen Aufgabenfelds der Kult-PR. Im letzten Jahr noch wußte Fendel ihre Ansichten zu Kult-Bedingungen und Kult-Mechanismen willig auszubreiten. Ausführlich beschrieb sie „Kult“ als einen durch triviale Aktivitäten verwässerten Begriff; als Ersatz für den Verlust religiöser Handlungen; als rituelles Ereignis, dessen Ablauf man kennt; als kollektives Erlebnis, das einen mit seinen Kumpels verbindet – und eine rituelle Dramaturgie, Running Gags und gern auch ein gewisses Maß an Political Incorrectness als Voraussetzung für Programme mit Kult- Potential. Mittlerweile klingt das alles weitaus prosaischer: „Kult“, paraphrasiert sie, „das ist ja dieses bekannte Ding: daß es rituell ist und irgendwie archaisch und so weiter.“ Ziemlich lapidar stellt Kult-Profi Fendel das Selbstverständnis heutiger Kult-Gemeinschaften bloß: „Die denken doch: Das machen alle, das gab es schon immer, das ist geil, und wenn ich jetzt auch mitmache, dann finde ich darin ein Zuhause.“

Kult als zeitgenössische Ausprägung einer zeitlosen Mitläufermentalität? „,Star Trek‘ beispielsweise ist doch voll der Asi-Kult“, sagt sie, „die Trekkies rekrutieren sich doch zum Großteil aus irgendwelchen Hausfrauen aus der Vorstadt, und an Abgrenzung haben diese Leute keinerlei Interesse.“ Als Synonym für Entindividualisierung dient Kult so dem Bedürfnis nach „Selbstaufhebung im kollektiven Unfug“. Für Fendel ist daher auch der Kegelklub nichts anderes als Kult und das kultfähige Produkt fast immer ein Versehen: „Da hat irgendein Bekloppter eine Idee gehabt und drauflos gemacht, und daraus ist dann etwas entstanden, das wächst und wächst.“ Und das gilt fraglos für David Lynchs abgefahrene Mordgeschichte ebenso wie für das zu Fall bringen anthropomorpher Zielfiguren mittels einer Hartgummikugel.

Doch die Zeiten, in denen einem organisch gewachsenen Kult noch zu Recht das geheimbündlerische Flair der Subkultur anhaftete, sind passé. Seit einigen Jahren schon gehört der Begriff „Kult“ zum Basiswortschatz der Vermarktungsstrategen. Für einen x-beliebigen Auftraggeber werden etwaige Kult-Potentiale aufgestöbert, ans Licht gezerrt und paßgenau ausgebeutet. Das mutmaßlich kultfähige Etwas wird mit irgendwelchen Produkten oder Sponsoren assoziiert und breitenwirksam vermarktet. Heike-Melba Fendel, die bei Gelegenheit auch schon mal „das perfekte Marketing“ mit der „perfekten Verarschung“ gleichzusetzen weiß, nennt diese raumgreifende Marktentwicklung die „Idee der Marke“. Schließlich sei unsere Gesellschaft mittlerweile „eine Ansammlung markengebundener, markenorientierter Individuen“ geworden. Sogar das „im besten Sinne pubertäre Element“ jugendlicher Identitätssuche sei ja inzwischen vor allem von der Identifikation mit Marken (oder deren Verweigerung) geprägt. Persönlich findet die Chefin einer erfolgreichen Marketingagentur diese Markenfixierung „entsetzlich“. Aber sie lacht dabei und fügt im gleichen Atemzug hinzu, daß vor allem für die extrem fokussierte Zielgruppe Jugend eine bloße Verweigerung von Marken- und Marketingindustrie vielleicht gar nicht mehr das Thema sei, sondern ein spielerischer Umgang mit den omnipräsenten Manipulationsbemühungen.

Trotzdem hat sich Barbarella vom Aufgabenkomplex sinnentleerter Markenkommunikation weitgehend verabschiedet. Daran zu arbeiten, daß der Konsument beispielsweise „Zigaretten mit ,Abenteuer‘ oder irgendeinen Schnaps mit ,schönen Frauen auf schönen Inseln‘“ assoziiert, sei zwar interessant und kreativ, diene jedoch letztlich nur dazu, die völlige Fiktion der „Markenseele“ zu bedienen. Im Gegensatz dazu sei Barbarellas TV-Promotion wenigstens eine Arbeit mit Produkten, die tatsächlich existieren, die eigene, unleugbare Qualitäten als Grundlage mitbringen: „Man kann einen Thriller mit drei alten Damen nicht als Romanze mit zwei jungen Menschen verkaufen.“ Das mag unmittelbar einleuchten. Doch auch das Fernsehen macht schließlich vor Zielgruppendenken nicht halt – und sei die Zielgruppe auch nur die breitestmögliche. Allerdings macht die Fendelsche Marketingschelte auch vor Barbarellas Brötchengebern nicht halt: „Der Lebenszyklus eines Irrtums ist ja ziemlich lang“, beginnt sie und fährt nüchtern fort: „Im Fernsehen begann der Irrtum ,Jugendwahn‘ vor circa vier Jahren und hat inzwischen seinen Zenit überschritten.“

So sieht Fendel die Zukunft von Firmen wie der ihren alsdann auch eher darin, als Schnittstelle zwischen Fernsehindustrie und bildender Kunst Schutzzonen zu schaffen, neue Konstellationen, neue Gedankenwelten, neue Generationsbilder zu erkunden. Auf jeden Fall findet Heike-Melba Fendel es „viel spannender, ,Brückenschläge‘ zu promoten, als das Ritualisierte immer wieder neu zu beleben“. „PR ist, wenn man's selber macht“, heißt das bei Barbarella. Und der beim Thema Kult verlorengegangene Enthusiasmus findet sich ganz unerwartet in Fendels Utopien wieder: „Die 14- bis 49jährigen sollten endlich aufhören, Fetisch zu sein!“ wünscht sich die Utopistin. Wo eine „Fuck you!“-Haltung generationsübergreifend gesellschaftsprägend sei, gelte es, zwischen dem Ungestüm und Abgrenzungswillen der Jüngeren und der gebrochenen Abgeklärtheit der Älteren zu vermitteln. Dringt Barbarella etwa in Promotiongalaxien vor, die nie zuvor ein Marketingmensch gesehen?

Gegen Ende des Gesprächs fällt der Blick auf ein gelb-schwarzes Kinderrad, das etwas unmotiviert im Raum steht. „Hier: Tigerenten- Fahrräder“, witzelt sie, “...sind jetzt auch Kult.“ – Und die Bemerkung klingt so gar nicht unwillig und gelangweilt. Eher spielerisch, irgendwo zwischen Ungestüm und Abgeklärtheit. Christoph Schultheis, Klaus Farin

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