Wann fliegt sie real?

■ Wer macht die Antimaterie nutzbar für den Warp-Antrieb? Experten aus Bremens Raumfahrt-Branche sinnierten über Physik und Fiktion im Raumschiff Enterprise

Zum Start ein Dank ans Publikum fürs Kommen, „bei einem Wetter, das eher einem Klingonen gefallen würde“: Vor der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt berichtete der Physiker Marco Lambert aus Kaiserslautern über den Forschungsstand zum berühmten Warp-Antrieb aus dem Science-Fiction-Kult „Raumschiff Enterprise“.

In der Hochschule Bremen drängten sich 120 Herren und 15 Damen jeden Alters. Fachpublikum aus der DASA-Abteilung „Internationale Raumfahrttechnik“(IR) und Studenten der Luft- und Raumfahrttechnik.

„Die Informationsgrundlage über die technische Beschaffenheit der Enterprise“, so der Referent entschuldigend, sei „unterschiedlich“. Erst seit Entwicklung der „Next Generation“sei ein Datenmaterial zugänglich, das eine Erschließung der verschiedenen Raumschiff-Klassen ermögliche, auch über die im Film gezeigten Bereiche hinaus.

Zu den Eckdaten: Die Raumkreuzer der Constitution-Klasse (Enterprise A) hatten gerade die Größe eines Flugzeugträgers; die Galaxy-Klasse der Star Trek Next Generation (STNG) ist doppelt so groß. Die Kugelform der Enterprise-Primärhülle wurde zu einem Oval entwickelt – das sei „ durchaus nicht willkürlich“: die Gründe dafür seien vor allem in einer Optimierung des Antriebs zu suchen.

Der junge Elektronenstrahltester Lambert war damit beim Thema: dem legendären Warp-Antrieb der Enterprise. Anfängliche Lachsalven aus dem Publikum waren längst verklungen.

Lambert hatte sie mit einem verbindlichen Augenaufschlag gekontert: Das Revolutionäre am Warp-Antrieb sei, daß er die Schubkraft eines traditionellen Triebwerks mit einem Feldtriebwerk kombiniere. Die Enterprise fliege auf diese Weise gleichzeitig im Unterlichtgeschwindigkeits-Bereich als auch mit Überlichtgeschwindigkeit.

Um diese erstaunliche Tatsache zu erklären, surfte der Referent durch seine Zahlenkolonnen. Mit dem Warp-Antrieb habe der geniale und fiktive Physiker Cochran den genialen und realen Einstein überlistet – im Enterprise-Zeitalter sei Überlichtgeschwindigkeit wahr geworden. Der Trick: Das Raumschiff fliegt in Wirklichkeit gar nicht 'Überlicht', aber mit seinem Feldtriebwerk macht sich die Enterprise-Besatzung im Wahrheitsbereich der Fiktion zunutze, daß unser Kosmos nicht aus den bekannten vier Dimensionen besteht, sondern aus neun weiteren „eingerollten“Dimensionen, die unsere Geometrie „aufschäumen“. Die Enterprise schießt quer durch diesen 'Schaum' und schneidet dem Licht damit den Weg ab.

Soweit einleuchtend, unterfütterte Marco Lambert seine Ausführungen mit zahlreichen Detailinformationen: Zu ökologischen Fragen, zur Reaktorerwärmung bei der Materie-Antimaterie-Fusion („Zwei Billionen Kelvin – das entspricht der Energie der Sonne“) und zu kinematographischen Illusionen, von denen Abschied zu nehmen sei: „Auch auf Warp-Stufe neun werden keine Sterne am Fenster der Enterprise vorbeizischen: Die Fahrt ins nächste Sonnensystem würde sechs Stunden dauern. Soviel Zeit hat der Fernseh-Zuschauer nicht“.

Physik und Ästhetik also sind sich in der Enterprise-Serie nichts schuldig geblieben. Und das Fachpublikum verließ mit einer gewissen Befriedigung den Hörsaal: Die Hoffnung, eines Tages doch unser vierdimensionales Raum-Zeit-Kontinuum zu sprengen und unser Sonnensystem mit geringstmöglichem Zeitaufwand zu verlassen, fand seine utopische Rechtfertigung. Fehlt nur noch die Nutzbarmachung der Antimaterie. ritz