Reise ins Eingemachte

■ In Thomas Frickels Film „Deckname Dennis“ sucht ein US-Agent das typisch Deutsche und findet – Gartenzwerge

Dennis ist Amerikaner. Ein fetter Mann mit Kaugummi-Akzent, so wird er dem Zuschauer vorgestellt – bei einem (Hut, Sonnenbrille!) konspirativen Treffen mit einem anderen fetten Mann in einem New Yorker Restaurant.

Der amerikanische Staat braucht Dennis. Dennis soll die Entwicklung in Deutschland im allgemeinen und die Eigenheiten der Deutschen im besonderen beobachten, „undercover“ versteht sich. Wegen der Geheimhaltung gibt sich Dennis als Fernsehjournalist aus Denver, Colorado, aus und lernt Deutsch. „Wundärrscheen“ spricht er der Stimme vom Tonband nach. Dann schlüpft er in Jeans, kariertes Hemd und Basecap.

Dies, ob nun Agenten-Parodie oder einfach nur Fake, ist der Anfang von Thomas Frickels „Deckname Dennis“, einem Roadmovie, einer Reise, die ans Eingemachte gehen soll. So begibt sich denn der runde Big Brother auf die Suche nach dem „typisch Deutschen“. Autofahrerpartei und eigens komponierter Autofahrerpartei-Walzer, Gartenzwergmuseen, von Strip-Einlagen gerahmte Männergesellschaften, Burschenschaftstreffen und CSU-Sprecher säumen Dennis' Weg.

Dabei landet Frickels Film ein paar geniale Treffer. „Hier fährt man nicht Fahrrad, um irgendwohin zu kommen, sondern weil man für Bäume und gegen Benzin ist“, stellt Dennis einmal ganz richtig fest. Die Kamera rückt durch leichte Froschperspektive Bierbäuche, junge Revolutionäre und Mitmenschen, die immer wieder „nur ihren Job tun“, ins Zentrum der betrachtenden Aufmerksamkeit.

Das eine Problem des Films ist sein Wille zur Lustigkeit, zur Groteske. Lustigkeit hat so ihre Tükken. Wenn ein Amerikaner, der wie das personifizierte Klischee eines Amerikaners aussieht, Deutsche befragt, die wie personifizierte Klischees von Deutschen aussehen, ist man geneigt, das Ganze wegen übertriebener Bekanntheit und Harmlosigkeit an sich vorbeirauschen zu lassen. Schlesiertreffen? Ein Witz! Da erläutert jemand Pläne für ein Viertes Deutsches Reich? Abgefahren! Soweit bekräftigt der Film meine Erfahrung, daß einen jeder Amerikaner nach „Heidelbörg“ fragt, also spiegelverkehrt.

Das große Vorbild von „Deckname Dennis“ scheint durch und wird trotzdem nie auch nur entfernt erreicht. Was in „Roger And Me“ die erfolglose Suche des Regisseurs nach dem Chef von General Motors – der durch Schließung seiner Werke die Verödung einer ganzen Stadt, der von Flynt nämlich, verschuldet –, ist in „Deckname Dennis“ die erfolglose Suche nach Sinn und Wesen des Deutschen. Ist es der Gartenzwerg? Ist es die Kuckucksuhr? Findet man „typisch Deutsches“ auf der autonomen Demo oder beim politischen Aschermittwoch der bayerischen Christlich-Sozialen Union in Passau?

Das zweite Problem des Films ist die, sagen wir, Probandenwahl. Regisseur Frickel führt seinen Dennis zu Deutschen, die ausnahmslos häßlich, nämlich dumpfbackige Jawoll-Sager, Spinner oder politische Verschwörungstheoretiker sind. Er tut dies bewußt aus Gründen der Realsatire. Nicht daß mich, eine deutsche (wau!) Zuschauerin, das beleidigt hätte – vielleicht bin ich nicht gerade eine Dumpfbacke, wohl aber ein Spinner. Das Problem liegt vielmehr darin, daß die Erheiterung, die von der Freakshow, die dieser Film ist, ausgeht, folgenlos bleibt und zunehmend ermüdet.

Je länger die Reise währt, desto größer wird Dennis fassungsloses Schweigen. Desto geringer scheint aber auch das Interesse des Regisseurs an der Dramaturgie seines Films. Alle schlaffen ab, und als Dennis am Ende selbst verrückt geworden ist und seinem geheimen Chef die Gartenzwergtheorie unterbreitet, denkt man: Operation gelungen. Patient tot. Anke Westphal

„Deckname Dennis“. Deutschland 1997, Regie: Thomas Frickel. Mit Dennis R. D. Mascarenas, Christian M. Doermer u.a., 100 Minuten