: Neue Chance für Klaus
■ Tschechiens Regierung gewinnt Vertrauensabstimmung ganz knapp
Prag (taz) – Die Regierung Klaus, die nach vier fetten Jahren in den letzten Wochen angesichts zunehmender Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft ins Straucheln geraten ist, hat am Dienstag mit äußerst knapper Mehrheit eine Vertrauensabstimmung gewonnen. Spannender hätte selbst ein Psychothriller nicht sein können, denn die Drei-Parteien-Koalition verfügt nur über 100 der 200 Sitze. Bis zuletzt war unklar, wie der unabhängige Abgeordnete Jozef Wagner stimmen würde. Der stellte denn auch Bedingungen: keine Privatisierung von Banken und Infrastruktur ohne Zustimmung des Parlaments. Zähneknirschend mußte Klaus nachgeben.
Doch der jetzige Sieg beschert der Regierung nur eine kurze Verschnaufspause. Gleich nach der Abstimmung dachte der sozialdemokratische Oppositionschef Miloš Zeman laut darüber nach, daß seine Partei bei der nächsten Parlamentssitzung im Juli einen Mißtrauensantrag stellen könnte. Dann nämlich muß die Regierung Klaus ihren Rechenschaftsbericht für 1996 vorlegen, und der sieht nicht gerade rosig aus. In Vorfreude hatte Zeman am Dienstag auf die Diskrepanzen zwischen dem vor einem Jahr vorgestellten Regierungsprogramm und der heutigen Situation hingewiesen. Gesundheitswesen, Armee und Bildung siechen dahin, Außenhandelsdefizit und Haushaltsloch wachsen rasant, ein Dutzend Banken sind zusammengebrochen. Zudem rächen sich Versäumnisse und Fehler bei der Privatisierung und Rechtsprechung, die ausländische Investoren abschrecken.
Die von der Regierung Klaus Mitte April und Ende Mai vorgestellten Maßnahmenpakete zur Sanierung der tschechischen Wirtschaft sehen Kürzungen im Staatshaushalt in Höhe von rund 40 Milliarden Kronen (zirka zwei Milliarden Mark) vor, knapp zehn Prozent des im vergangenen Jahres angesetzten Staatshaushalts. Gespart werden soll insbesondere bei Investitionen, Gehältern und Sozialleistungen. So soll Kindergeld künftig nur noch einkommensschwachen Familien gezahlt, das Arbeitslosengeld um zehn Prozent gekürzt werden. Betroffen von den Sparmaßnahmen sind vor allem Staatsangestellte, die bereits jetzt niedrige Löhne erhalten.
Die Appelle des einst so optimistischen Premiers an die Bevölkerung, die Gürtel enger zu schnallen, finden kaum Gehör. Zulange war man von guten Botschaften eingelullt worden. Das wirkt sich auch auf das Wählerverhalten aus. In einer gestern veröffentlichten Umfrage lagen die drei Oppositionsparteien Sozialdemokraten, Kommunisten, Republikaner mit 40 Prozent erstmals vor den drei Koalitionsparteien (38,5 Prozent). Mit 28 Prozent erzielten die Sozialdemokraten ihr bisher bestes Ergebnis, die „Demokratische Bürgerpartei“ ODS von Klaus mit 20 ihr schlechtestes. Angesichts seines möglichen Endes unterließ es Klaus nicht, Fehler einzugestehen und Besserung zu versprechen. So soll die Kommunikation in der Regierung sowie zwischen Präsident und Regierung verbessert werden. Zudem will Klaus enger mit der Opposition zusammenarbeiten. Denn diese braucht er, um seine Maßnahmen zu realisieren. Katrin Bock
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