Bilder müssen laufen lernen

■ Raus an die Öffentlichkeit: Die Malerin Magdalena Häfner organisiert eine ungewöhnliche Prozession durch Prenzlberg

Manchmal, wenn sie Lust haben, gehen Menschen in Ausstellungen. Haben sie nur oft nicht. Was passiert, wenn Ausstellungen zu Menschen kommen, fragten sich die Galeristin Barbara Blikkensdorff und die Malerin Magdalena Häfner und planten eine Kunstaktion der anderen Art. Raus aus den Museen und Galerien, hinaus auf die Straße, in die Stadt, in die Öffentlichkeit. Sie schickten ein Dutzend Bilder auf den Marsch durch Prenzlauer Berg: „Die Kunst macht sich auf die Beine.“

Kollwitzstraße, 12 Uhr mittags. Vor der Galerie Blickensdorff wabert ein buntes Bildermeer in der Frühlingssonne. Die Schatten der Baumkronen malen flirrende Muster auf Magdalena Häfners abstrakte, farbintensive Gemälde, oft mit Zeichnungen versetzt. „Los jetzt“, ruft Barbara Blickensdorff. Die Bilder, wie Transparente nur auf zwei Holzleisten gespannt, blähen sich im Wind. Das Jaulen des Dudelsacks am Anfang der Prozession übertönt das Klappern des Frühstücksgeschirrs in den Cafés am Kollwitzplatz. „Die Schotten kommen, die Schotten kommen“, ruft ein braungelockter Junge, mit seiner Klasse auf Exkursion im Kiez. „Die feiern bestimmt ein Landesfest.“ „Quatsch“, kreischt seine Mitschülerin, „das ist ein Marsch zum Sommeranfang.“

Die Irritationen sind Teil des Programms. Damit wollen sie auf die Kunst aufmerksam machen. Die 51jährige Malerin Magdalena Häfner kommt aus Ostberlin. In DDR-Zeiten war es schwer, die Kunst in die Öffentlichkeit zu bringen, in den 80er Jahren konnte sie in Kirchen mal etwas der Öffentlichkeit präsentieren. Nach dem Mauerfall machte sie zwar bei einigen Performances und Aktionen mit. Aber auf dem umkämpften Berliner Kunstmarkt fand sie keine Galerie, die eine völlig unbekannte Malerin ausstellen wollte. Bis sie Barbara Blickensdorff traf, aus dem Nachbarhaus im Kiez, und die Idee „Die Kunst macht sich auf die Beine“ entstand. Für Magdalena Häfner war das eine Chance, ihre Bilder spielerisch unter die Leute zu bringen und erlebbar zu machen.

„Jeder assoziert etwas anderes, wenn er unsere Prozession sieht“, sagt Barbara Blickensdorff. Der Bauarbeiter, der in der Pause sein Cornetto schleckt, vermutet eine geschickte Verkaufsaktion. Die Fischverkäuferin vom Marktstand „Löcknitzforelle“ weiß „ooch nich, was dat soll. Aber jutt isses.“ Der gutgelaunte Mittfünfziger im Gugelhof ist sich sicher: „Eine Werbeaktion ist das, was sonst.“

Natürlich geht es auch ums Verkaufen. Natürlich ist das alles auch Werbung. Der Träger von Bild Nummer vierzehn hüpft vor einen Golf und streckt dem Fahrer den „Roten Faden im Labyrinth“ ans Fenster. Als die Preisliste folgt, winkt der Autofahrer ab. Barbara Blickensdorff lacht. „Der dachte glatt, wir wollen jetzt hier verkaufen. So ein Quatsch.“ „Für mich“, sagt die Künstlerin, „ist das einfach ein Riesenspaß, eine Demonstration der Lust.“ Anja Dilk

Noch einmal heute sowie Sonntag, Treffpunkt Galerie Blickensdorff, Kollwitzstraße 53, jeweils 18 Uhr.