Sexismus-Boykott im Doppelpack

■ Linke Gruppen rufen auf zum Boykott von Wiglaf Droste und „Heiter bis Wolkig“ / Droste heute dennoch auf Kampnagel

Sie kennen das schon. Wo immer der Berliner Autor Wiglaf Droste oder die Kölner Anarcho-Comedy Gruppe „Heiter bis Wolkig“ (HbW) sich zur Zeit die Ehre geben, werden ihre Veranstaltungen von autonomen Gruppen boykottiert, gestört oder gar verhindert, weil die Künstler als „sexistisch“ gelten. Wie der Zufall es will, wollten sowohl Droste wie HbW heute abend (unabhängig voneinander) in Hamburg auftreten. Angekündigt war: Ein Sexismus-Boykott im Doppelpack.

HbW sagten ihr geplantes Open-Air-Konzert gestern daraufhin ab, weil sie „ihren Schutz nicht garantiert“ sahen. Denn unter dem Motto „Kein Konzert mit Sexisten und Vergewaltigern“ haben knapp 20 Gruppen aus der Hamburger linken Szene zum Boykott der Veranstaltung aufgerufen. Die AutorInnen des Boykott-Aufrufes werfen HbW dabei vor allem vor, „sich mit den Vorwürfen zu ihrem Programm nicht auseinandergesetzt zu haben, genauso wenig mit der Tatsache, daß ein Mitglied der Gruppe ein Vergewaltiger ist“.

Bereits im Februar vergangenen Jahres stürmten mehrere Frauen bei einem HbW-Konzert in der Roten Flora die Bühne und sorgten dafür, daß die Veranstaltung abgebrochen werden mußte. Ein Vergewaltigungssketch war von den Aktivistinnen als „unerträglich sexistisch“ empfunden worden.

Vor allem die FC St. Pauli-Fanzeitschrift „Übersteiger“ empörte sich über die Aktion des „feministischen Zensurkommandos“ und dessen vermeintliche Humorlosigkeit: „Schließt Euch ein, diskutiert Euch tot, aber bloß nicht lachen dabei!“. Völlig unamüsiert beglückte ein „feministisches Zensurkommando“ daraufhin den St. Pauli-Fanladen mit Buttersäure.

Die szeneinterne Auseinandersetzung eskalierte, nachdem ein HbW-Mitglied von einer Frau beschuldigt worden war, sie vergewaltigt zu haben. Nachdem der Fanladen daraufhin ein im vergangenen Sommer geplantes HbW-Konzert abgesagt hatte, fungierte er für das nun erneut abgesagte Konzert als einzige Kartenvorverkaufsstelle. Provokatives Motto der Veranstaltung: „Nur 10 Prozent political correct“.

Bisheriger Höhepunkt der auseinandersetzung: Mitte Mai „besuchten“ etwa 30 bierselige St. Pauli-Fans ein Mobilisierungstreffen gegen das Konzert in der Flora und kündigten den „linksfaschistischen SpielverderberInnen“ Gewalt an, wenn die Veranstaltung gestört würde.

„Kein Auftritt von Wiglaf Droste auf Kampnagel“ lautet das Motto eines in der Roten Flora-Postille „Zeck“ abgedruckten Aufrufes, die Lesung des Berliner Autoren zu verhindern. Droste, der wiederholt durch sexistische Bemerkungen (“Du schleimst Dich bei Frauen ein, weil Du keinen Stich machst“) und Beschimpfungen (“Frustvotze“) auffiel, klinkte sich in der Vergangenheit mit markig-männlichen Provokationen noch in jede Sexismus-Debatte ein. Der Hauptvorwurf der Boykott-AutorInnen aber lautet, daß sich der Berliner mehrfach über Vereine zum Schutz mißbrauchter Kinder ganz „herr“lich lustig gemacht habe.

Droste scheint widerstandswilliger als HbW: Er will heute wie geplant auf Kampnagel auftreten – mit Bodyguards. Marco Carini