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Zwischen den RillenJägermeisterinnen

■ Gewußter und gelebter Trash: Sleater-Kinney und L7 im Test

Generationentreffen. Sleater-Kinney und L7: Auslaufmodell und Spitzenklasse. Die alten Rockerinnen und das Wildsein der Neuen mit anderen Mitteln.

Sleater-Kinney haben mit „Dig Me Out“ ein Album, das die Vorgängerin „Call The Doctor“ übertrifft. Weil sich Corin, Carrie und Janet darauf spitze, verschlungenere Stücke ausgedacht haben, weil es weniger krampft und mehr um Genuß geht, und weil die Mischung aus poppigem Sing-along-Hit wie dem Titelstück und härteren Post-Punk-Anteilen wie bei „Jenny“ einfach richtig ist. L7 wechseln auch die Stile, allerdings zwischen altbekanntem sleazy Gewummere („Must Have More“ „Off the Waggon“, was ja okay ist) und einer irgendwie peinlich, kitschig romantischen Seite der vier wie bei „Moonshine“.

Beide Bands waren und sind im Zustand der Bassistinnenlosigkeit; Sleater-Kinney, weil sie es nicht wollen, und L7, weil Jennifer Finch – die auch mal mit Courtney Love 'ne Band hatte – während der Plattenaufnahme ausgeschieden ist. Sleater-Kinney machen die Baßlosigkeit mit dem Sonic-Sound der beiden Sängerinnen Corin und Carrie gut, L7 haben sich 'ne Neue gesucht, Gail Greenwood von Belly, die aber noch nicht mit auf die Platte durfte.

Obwohl L7, die älteren, auch zu den Ermöglicherinnen von Bands wie Sleater-Kinney gehören, hat man bei Corins Stimme eher Erinnerungen an die B52s. Sleater-Kinney kommen eindeutig aus der Riot-Grrrl-Community und beziehen sich – auch in ihrem Aggressionsverhalten – auf Punk. L7 haben sich beim Hakwind-Hören und Saufen kennengelernt, und man würde bei ihnen eher die Linie Go- Gos, Runaways und Girlschool ziehen. Und natürlich Motörhead.

Beide Bandmodelle sind als solche nicht unbedingt taufrisch, aber wenn man „Dig Me Out“ und „The Beauty Process: Triple Platinum“ anhört, ohne ein ausgemachter Fan von Post- Punk oder Metal zu sein, dann kann eine/n bei Sleater-Kinney schon die Leidenschaft für nichtelektronische Musik wieder packen; bei L7 mag man traurig daran denken, was die vier wohl die letzten drei Jahre, seit „Hungry For Stink“, durchgemacht haben müssen.

Denn natürlich gibt es auch im Riot-Grrrl-Umfeld tragische Geschichten vom Stardasein und vom schnellen Leben hin zum Tod, aber wo der harte Alltag bei L7 noch so richtig handgemacht mit sich selbst ausgemacht werden muß und enttäuschte Liebe mit intravenösen Jägermeister-Rationen angegangen wird, gibt es bei Sleater- Kinney einfach viel sophisticatedere Verarbeitungsmechanismen. Hier wird zwar aus einer persönlichen Perspektive geschrieben, die auftauchenden Probleme – etwa das Verlassen der einen Geliebten für die andere – werden aber zu gesellschaftlichen.

Sleater-Kinney haben aus der Selbstzerfleischung ihrer Vorgängerinnen gelernt – und den Dreh vom Privaten zum Politischen absolut im Griff –, bei L7 hingegen darf sogar die Plattenfirma schreiben, daß es ihnen in den letzten beiden Jahren schlechtgegangen ist. L7 haben sich kaum verändert, und man kann sich fragen, wer das noch hören will, wer die Power mitten ins Gesicht braucht, so, als routiniertes Ritual. „Beauty Process“ paßt auch 1997 noch gut nach Los Angeles, wo L7 seit Bandgründung 1985 wohnen. Dort kann man bei Live-Musik nur zwischen Rock und Jazz auswählen, und Schönheitswettbewerbe sind genauso gegenwärtig wie Tycoon-haftes Auftreten der Plattenindustrie. Das Cover der CD, das die Reinigung der Star-Sterne auf dem Hollywood Boulevard mit gestellten Model-Fotos der Band vereint, hat mit der Sehnsuchtsproduktion dieser Stadt zu tun.

Sleater-Kinney dagegen kommen aus einer gut funktionierenden feministischen Community und nicht aus L.A., sondern aus Portland. Auf ihrem Cover stehen die Musikerinnen und ihre Instrumente betont un- modelig im Vordergrund. Bei Sleater-Kinney stehen kreischende Teenager am Rand, die so sein wollen wie Carrie, Corin und Janet und hysterisch „Carrie, I love you!“ brüllen, bei L7 werden Stimmen weniger als Zurufe, denn als Mitbrüllen laut.

Donita, Suzi und Dee von L7 machen schon in ihren Texten klar, wie sehr ihr Leben von Kämpfen bestimmt wird – nicht nur der Sound läßt einen spüren, wie mühsam das Leben im Rock-Star-Exzeß ist. Sleater- Kinney hingegen haben nicht einmal mehr bei Konzerten direkte Auseinandersetzungen mit aggressionsgeladenen jungen Männern zu führen. Wer da „Ausziehn, ausziehn!“ brüllt, meint es als scherzhaften Verweis und ist ein Mädchen. Bei L7 sind es Männer, und die verstehen es als Provokation.

Sleater-Kinney wissen um Trash und können ihn stilgenau kategorisieren, L7 leben Trash, und deswegen sind auch die romantisch-esoterischen Stücke auf ihrer Platte, wie etwa „Moonshine“, peinlicherweise wirklich ernstgemeint. Dafür können sie Stücke machen wie „The Masses are Asses“, die bei Sleater-Kinney dann eher „Heart Factory“ heißen und sich um die Herzenskälte und Coolness-Produktion drehen. Die einen kriegen Street Credits, die anderen werden Popstars. Annette Weber

Sleater-Kinney: „Dig Me Out“ (KRS/Matador)

L7: „The Beauty Process: Triple Platinum“ (Slash/Motor)

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