Drei grüne Frauen – drei Konzepte für den Wahlkampf

■ Kommenden Sonnabend entscheiden Schleswig-Holsteins Bündnisgrüne über ihre Spitzenkandidatin

Drei Frauen wollen ganz nach oben. Sie möchten grüne Spitzenkandidatin für die schlewig-holsteinische Landtagswahl am 26 März 1996 werden. Am Sonnabend soll auf dem Listenparteitag in Lübeck die Entscheidung über das „Gesicht“ des Landesverbandes fallen. Die Delegierten müssen dann mit der Person auch das politische Profil der Bündnisgrünen im Norden festlegen. Mit den Frauen stehen drei verschiedene Konzepte zur Wahl: Initiativen–Orientierung, generalistische Realpolitik, großstädtische Professionalität.

Für die ökologische Initiativen– Orientierung steht Adelheid Winking-Nikolay (50) aus dem Kreis Lauenburg, die noch bis 1992 SPD-Mitglied war. Die promovierte Biologin kam über den Kampf gegen die Autobahn A 20 zu den Grünen, machte sich in der Region als Naturschützerin einen Namen und in der Partei Karriere. Seit 1994 ist sie Kreistagsabgeordnete und Sprecherin des Landesvorstandes. Ihre Zielgruppe ist auf Umweltschützer begrenzt, darum werden ihr kaum Chancen eingeräumt.

Ein Signal für politische Kontinuität wäre die Wahl der Husumerin Irene Fröhlich (51). Sie war in Nordfriesland schon Grüne, als es in allen anderen Bundesländern so etwas noch gar nicht gab. Sie durchwatete alle Tiefen der schleswig-holsteinischen Parteigeschichte und personifiziert den Aufstieg aus dem Sumpf des Strömungskampfes. 1991/92 ließ sich Fröhlich vom Realo-Clan in die Pflicht nehmen, der die Nord-Grünen wendete. Mit ihr an der Spitze klopften die Grünen erstmals vernehmlich an die Tore des Kieler Landtages. Zum Einzug in das Hohe Haus fehlten 1992 letztlich nur 382 Stimmen.

Die gelernte Erzieherin war viele Jahre in Suchtkrankenhilfe und Psychatrie tätig. Zur Zeit studiert sie in Hamburg Sozialökonomie. Sie ist politisch eher Generalistin als Spezialistin, wobei ihr die Sozialpolitik besonders am Herzen liegt. Nach der knappen Landtagswahl ließ sie sich zur Landesvorstandsprecherin wählen, ist inzwischen aber aus dem Parteiamt herausrotiert und vertritt die Grünen als Fraktionsvorsitzende im nordfriesischen Kreistag.

Auch Angelika Birk (39) ist Gründungsmitglied der Partei – aber in Baden-Würtemberg. Die grünen Flegeljahre erlitt sie in Hamburg. Hier war sie Mitglied der allerersten GAL-Bürgerschaftsfraktion um Thomas Ebermann und Thea Bock. Für wenige Wochen kehrte sie 1989 noch einmal in das Parlament zurück, als Nachrückerin der Frauenliste. Dann ging sie als Frauenbeauftragte nach Lübeck. Angelika Birk hat sich immer als unabhängige Grüne verstanden, bei wichtigen Entscheidungen aber jeweils mit dem Aufbruch/Realo-Spektrum gestimmt. Das war in Hamburg gewiß kein Zeichen von Opportunismus.

Von großstädtischen Politikvorstellungen hat sie sich nicht ganz gelöst. So versuchte sie, eine grüne Frauenliste für Schleswig-Holstein durchzusetzen. Da spielten selbst die grünen Frauen nicht mit. Aber das politische Spektrum der Frauenbeauftragten läßt sich nicht auf Frauenpolitik reduzieren. Sie engagiert sich in der Region, wie Adelheid Winking-Nikolay, für ein Umdenken in der Verkehrs- und Baupolitik.

Angelika Birk hat Deutsch und Philosophie studiert und ist die einzige der Bewerberinnen, die feministische und ökologische Politik immer auch als Beruf verstanden hat. Von 1985 bis 1987 arbeitete sie in Hamburg für das grünen-nahe Bildungswerk „umdenken“, von 1988 bis 1989 für die Hamburger Leitstelle zur Gleichstellung der Frau. Mit ihr würde mehr Professionalität bei den schleswig-holsteinischen Grünen einziehen.

Gemeinsam könnten die drei Bewerberinnen die kompetente und umfaßende weibliche Hälfte der künftigen Landtagsfraktion bilden. Spitzenfrau aber kann nur eine werden. Jürgen Oetting