■ Nachschlag: Das BE feiert Brecht und nimmt mit einem Panzer an der Love Parade teil
Botho Strauß würde es als „Beginnlosigkeit“ bezeichnen. Obwohl es sich eigentlich mehr um eine satte Endhaftigkeit handelt, die durchaus nicht unfroh ist. Tatsache ist, daß das Berliner Ensemble genau in dem Moment ein bißchen zu leben beginnt, da es sich in sein Ende fügt. Das künstlerische Profil ist verwischt, der Ruf ruiniert, und in der Peymannschaft wird wohl keiner der Derzeitigen mitspielen – also ist's Zeit, die Suche nach dem Schiffbauersonderweg aufzugeben, sich zu entspannen und ein bißchen Spaß zu haben, wobei hier gilt: Von der Volksbühne lernen heißt siegen lernen.
Es wird also ein Brecht-Spektakel geben, am letzten Juni- und ersten Juliwochenende. Neu- und wiederentdeckte Stückfragmente Brechts sollen im Dutzend uraufgeführt werden, und dazu werden Kräfte von überall dort herangezogen, wo das Theater noch Spaß macht. Jungregisseure von der Ernst-Busch-Schule kommen zum Zuge, Jürgen Kruse und Leander Haußmann reisen aus Bochum an, Schlingensief rollt von der Volksbühne herüber, und auch Armin Petras macht mit. Dazu Rahmenprogramm. Filme, Zazie de Paris, Georgette Dee, Helen Schneider, aber auch das ThéÛtre de Complicité, alle mit BrechtBrechtBrecht. Ja, im Rahmen dieser Vorfeierlichkeiten zu Brechts 100. Geburtstag, die bis 20. Juli andauern, wird das BE sogar an der Love Parade teilnehmen. Mit einem eigenen Panzer!!!
Ohnehin war bei der Pressekonferenz am Donnerstag alles ziemlich lustig, wozu die Live-Ton-und-Computerbild-Schaltung ins Schauspielhaus Bochum das Ihre beitrug. Experimentell ruckte „der Leander“ über die Leinwand, während er emphatisch sein Brecht- Projekt erläuterte: „Es sind irgendwelche Szenen mit irgendwelchen Männern, die sich situationslos im Raum bewegen.“ Später kam auch Kruse hinzu, der zwar nichts sagen wollte, aber als Geste des guten Willens einen Fotoapparat in die Kamera hielt, wozu Haußmann erklärte: „Jetzt knipsen wir euch.“ Bester Laune ging es danach in der brutheißen BE-Probebühne weiter: Zazie erfreute mit einem spontanen Chanson, Schlingensief rief an, und der Dramaturg Holger Teschke verlas ein dreiseitiges selbstgeschriebenes Drama, in dem Claus Peymann die Mauern des BE nach einem Fluch absucht und das Theater bei der Gelegenheit völlig niederreißt. „Weg mit Schaden“, sagt er und genießt die freie Sicht auf das Silvesterfeuerwerk 2000 auf dem Potsdamer Platz. Brechtsommer 1997, willkommen auf der Titanic – Berlin, nun freue dich! Petra Kohse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen