Grüne verbieten sich konkrete Machtphantasien

■ Berliner Parteitag pfeift Regierungsteam zurück, Stendaler lobt dafür Rot-Grün

Berlin (taz) – Die Berliner Grünen haben überraschend die Diskussion um ihr Programm für eine „grün geführte Regierung in der Hauptstadt“ verschoben. Der Landesparteitag bekam am Wochenende große Angst vor der eigenen Courage.

Obwohl die Delegierten im Februar das Motto „Grüne an die Macht“ noch unterstützt hatten, war ihnen das „Regierungsprogramm“ jetzt weder konkret genug noch ausreichend konsequent durchgerechnet. „Wir müssen dem Bürger reinen Wein einschenken und unsere Vorschläge so weit, wie es geht, finanzpolitisch qualifizieren“, monierte die Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstaedt- Bohlig. Jeder der 28 grünen Eckpunkte von Arbeitsteilung bis Wissenschaftspolitik brauche einen Anhang: Was kostet/bringt das für die geplünderte Landeskasse?

„Wir bewerben uns doch nicht um die Buchhaltung!“ widersprach die finanzpolitische Sprecherin Michaele Schreyer. Die Finanzpolitik sei wichtig, müsse aber im Dienst der problembeladenen Politikfelder Berlins stehen. Die Delegierten aber zwangen das vermeintliche Regierungsteam um Schreyer zur Geduld. Sie verabschiedeten einen Fahrplan zur weiteren Diskussion des Programms, an dessen Ende im Oktober 1997 dann tatsächlich ein Regierungskonzept stehen soll. Die alternativen Igel, mit knapp 15 Prozent die viertstärkste Partei Berlins, rechnen sich aus, ihren Wunschpartner SPD (23,6 Prozent) bei der Wahl 1999 einzuholen.

Die Berliner Grünen haben gleichzeitig ihren Landesvorstand verjüngt. Der 33jährige Andreas Schulze, neuer Sprecher der Partei, begann seine Amtszeit mit einem Paukenschlag. Notfalls müsse Berlin „von Diepgen und seiner Gaga- Truppe“ auch mit Hilfe der PDS befreit werden, teilte der aus dem Ostteil der Stadt stammende Schulze mit.

Unterdessen bilanzierten die sachsen-anhaltinischen Grünen auf einem Parteitag in Stendal ihr dreijähriges, von der PDS toleriertes Regierungsbündnis mit der SPD. Die grüne Vizeregierungschefin und Mehrfachministerin Heidrun Heidecke befand die von der CDU angefeindete Koalition für politisch zuverlässig und stabil.

Heidecke mahnte die SPD, nicht zu vergessen, daß der Machtfaktor Grün sie „in diese Landesregierung getragen hat“. Sie räumte ein, daß die Koalition bei der Diskussion um ein Naturschutzgebiet an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gegangen sei. Der Umstand, daß die SPD die Grünen überstimmt hatte, sei eine „Ausnahmesituation“ gewesen. Das sei nur gutgegangen, weil die Grünen kein Veto eingelegt hätten. Mit 25 gegen 18 Stimmen votierte die Versammlung für eine Fortsetzung der Regierungsbeteiligung. cif/ADN