„Ich habe keinen Haß auf Deutschland“

■ Letzte Hoffnung deutsche Behörden: Zum Weiterleben braucht Noäl Martin Geld – er ist querschnittsgelähmtes Opfer eines rassistischen Anschlags in Brandenburg

Berlin (taz) – Wie soll Noäl Martin seine Existenz finanzieren? Die Therapien, den Rollstuhl? „Die deutsche Regierung ist meine letzte Hoffnung“, sagt er. Am 16. Juni 1996 wurde der Wagen des britischen Bauarbeiters im brandenburgischen Mahlow von zwei Jugendlichen verfolgt. Die Männer überholten den Jaguar, kurbelten das Beifahrerfenster herunter und warfen einen Feldstein in das linke hintere Fenster des Jaguars. Martin verlor die Kontrolle über das Fahrzeug und raste gegen einen Baum. Seitdem ist er querschnittsgelähmt.

„Dangerous zone am S-Bahnhof“ hieß die Reportage der taz-Redakteurin Barbara Bollwahn, die am 17. Juli in der taz erschien. Es war eine Reportage über einen rassistischen Anschlag. Und es war eine Reportage über die schleppenden Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei.

Für diese Reportage, die zur Verurteilung der beiden 17- und 24jährigen Täter zu fünf beziehungsweise acht Jahren Gefängnis führte, bekam Bollwahn im April dieses Jahres den „Wächterpreis der Tagespresse“. Nun, da die Täter verurteilt sind und der „hörbare Aufschrei der Empörung über die ausländerfeindliche Tat“ verhallt ist, den der Richter vernommen hatte, besuchte die taz-Reporterin Martin in Birmingham. Sie traf auf einen Mann, der die alltäglichen Folgen eines rassistischen Anschlags zusammen mit seiner Lebensgefährtin zu meistern versucht – aber sich dabei allein gelassen fühlt.

„Ich habe keinen Haß auf Deutschland“, sagt er. Wenn sich in dem Land, dessen Bürger seinen Körper zerstört haben, ein Rehabilitationsplatz fände, würde er zurückkehren. Doch noch ist unklar, ob und was man ihm an Hilfe und Geldern zukommen lassen wird. Zwar hilft ein Opferentschädigungsfonds und ist ein Spendenkonto eingerichtet, doch das reicht bei weitem nicht. Erst im Juli wird ein Vertreter des brandenburgischen Sozialministeriums anreisen, um eine „Bestandsaufnahme“ zu machen. Uwe Rada

Reportage Seite 11