: Brazzaville liegt nicht in Somalia
■ Aber die Lage in der Republik Kongo vor den Friedensgesprächen in Gabun gibt zu Pessimismus Anlaß
Berlin (taz) – Omar Bongo, Präsident von Gabun und Schwiegervater von Denis Sassou-Nguesso, ist seit gestern auch der offizielle Vermittler in Kongo-Brazzaville. Direkte Gespräche zwischen Oppositionsführer Sassou-Nguesso und Staatschef Pascal Lissouba unter Bongos Schirmherrschaft sollen die Kämpfe in Brazzaville beenden, die mehrere tausend Tote gefordert haben.
Ein Friedensplan liegt vor, ausgehandelt von kongolesischen Vermittlern mit Hilfe des einstigen UNO-Vermittlers für Zaire, Mohammed Sahnoun. Demnach sollen alle bewaffneten Männer Brazzaville verlassen; dann sollen Hilfsorganisationen die auf den Straßen liegenden Leichen einsammeln, und später sollen die verfeindeten Gruppen gemeinsame Patrouillen bilden. Es ist ein Minimalprogramm, das auf den guten Willen der Beteiligten baut und im Fall eines Scheiterns der Gespräche nicht durchgesetzt werden kann.
Theoretisch sollte eine Einigung nicht allzuschwer sein. Lissouba und Sassou-Nguesso verlangen beide öffentlich, daß die für den 27. Juli geplanten Präsidentschaftswahlen tatsächlich stattfinden und ordentlich ablaufen; und beide wünschen sich dazu die Stationierung französischer Truppen. Aber beide sind insgeheim davon überzeugt, nur sie selbst könnten tatsächlich Frieden herbeiführen, und die Gegenseite sei bloß ein Unruhestifter. So ist eine Einigung in der Praxis äußerst schwierig.
Daher wird in Brazzaville vorerst weiter gekämpft. Beide Seiten wollen den internationalen Flughafen für sich. Bisher ist er unter Regierungskontrolle, aber Oppositionsführer Sassou-Nguesso beschuldigt Präsident Lissouba, über den Flughafen Waffennachschub von den Unita-Rebellen in Angola zu beziehen, und hat seine Cobra- Miliz am östlichen Ende des Flughafens in Angriffsstellung gebracht. Kein Wunder, daß Lissouba am Sonntag wieder gegenüber dem französischen Fernsehen einen „Hilfeschrei“ für militärischen Schutz losließ. Den will Frankreich aber bisher nicht gewähren.
Die 1.250 französischen Soldaten, die in der vergangenen Woche über 5.600 Ausländer evakuiert haben, sollen nach eigener Darstellung bis Ende der Woche komplett abziehen. Gestern packten die Franzosen schon einmal Möbel und Computer in Container und flogen Materialien und „nicht essentielles“ Personal im Stundentakt nach Gabun und Tschad aus. Daß sie keinen Frieden geschaffen haben, wissen sie, aber das war auch nicht ihre Aufgabe. „Wir hoffen, daß die Vermittlung in Libreville Erfolg hat, so daß nicht wieder Krieg ausbricht, wenn wir gehen“, sagte am Sonntag Frankreichs Armeesprecher Henri Pellissier.
Frankreich leistet sich den Luxus, nicht einzugreifen, die Kämpfe gewähren zu lassen und sich damit eben doch noch als theoretische Ordnungsmacht anzubieten. Für den Fall, daß eine Ordnungsmacht gebraucht wird, will UN-Vermittler Sahnoun einigen Berichten zufolge Blauhelmsoldaten schicken – zum Beispiel französische. Eigentlich aber müßte er alles versuchen, um das zu verhindern. Brazzaville ist eine zwischen Milizen geteilte Hauptstadt, deren Kriegsparteien sich vor allem um die Kontrolle der Zugänge zur Außenwelt streiten – genauso wie Somalias Hauptstadt Mogadischu vor dem katastrophalen UN-Einsatz 1992. Der UN-Vermittler damals hieß Mohammed Sahnoun. Dominic Johnson
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