Australien wird zum Sprungbrett nach Asien

■ Zwanzig Prozent mehr deutsche Niederlassungen in Sydney und Melbourne

Sydney (taz) – Wer von Frankfurt nach Sydney fliegt, legt zum Auftanken eine Zwischenlandung in Singapur, Bangkok oder Hongkong ein. Für immer mehr deutsche Unternehmer sieht die Landkarte jedoch anders aus: Eine Studie der Deutsch-Australischen Industrie- und Handelskammer zeigt, daß sich Australien immer mehr zum „Stop-over“ für den boomenden Handel mit Ostasien entwickelt.

„Die Zahl deutscher Niederlassungen in Australien steigt langsam, aber stetig an“, so Oliver Groll von dem Büro der Kammer in Sydney. Die Untersuchung ergab, daß die Zahl der deutschen Unternehmen seit 1994 um über zwanzig Prozent zunahm. Rund 270 deutsche Firmen sind derzeit in Australien aktiv mit Gesamtinvestitionen von über 10 Milliarden Mark.

Überraschendes Ergebnis der Studie: Über ein Drittel der deutschen Firmen nutzen ihre Niederlassung in Sydney oder Melbourne als regional headquarter für den Asien-Handel. Mit der größeren Aufmerksamkeit für die Märkte Südostasiens wächst auch das Interesse am fünften Kontinent.

Großkonzerne wie Hoechst, Bosch und Thyssen haben in den letzten Jahren verstärkt hier investiert – und eben nicht nur für den australischen Markt: Bosch nutzt seine australische Produktionsstätte auch als Basis für Exporte in die Region. Thyssen zieht Australien als künftigen Stützpunkt für das Ostasien-Geschäft in Erwägung. „Ein Manager, der seit zwanzig Jahren in Bangkok sitzt und nicht mehr jeden Tag vier Stunden im Stau stehen will, macht lieber von Sydney aus Geschäfte“, interpretiert Groll die Ergebnisse der Umfrage seines Büros. Die hohe Lebensqualität Australiens bietet eine Alternative zur krankmachenden Luftverschmutzung asiatischer Metropolen.

Noch wichtiger für das Engagement der deutschen Wirtschaft in Australien sind die guten Kontakte australischer Manager in die Länder Südostasiens. In den Bausektor kauften sich deutsche Unternehmen vor allem deshalb ein, so Groll, „weil australische Firmen schon dicke Aufträge in Asien hatten“. So kontrolliert Hochtief 45 Prozent der Anteile an Leighton Holdings, dem größten Baukonzern des Landes. Dessen Aufträge kommen zu einem Fünftel aus Asien. Der Einkauf von Bilfinger und Berger bei der Baufirma Baulderstone Hornibrook zielte ebenso auf deren Engagement in der Region.

Mit der geographischen Lage hat die Zunahme regionaler Firmenstützpunkte indessen nur indirekt zu tun. Denn selbst von Sydney aus sind es noch gut neun Flugstunden bis Bangkok, gerade zwei Stunden weniger als von Frankfurt aus. Eine wichtige Rolle spielt hingegen die Lage in überwiegend gleichen Zeitzonen: Wer von Sydney aus mit den Metropolen Südostasiens telefonieren muß, braucht dazu nicht nachts um vier aus dem Bett. Neben niedrigen Büromieten und Abgaben machen die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur Australiens das Land zu einem idealen Sprungbrett nach Asien.

Seit Beginn der 70er Jahre durchläuft Australien eine rasante Transformation: von einem Außenposten des untergegangenen britischen Empires mit maroden sozialen Strukturen zu einer multikulturellen Gesellschaft mit guten Beziehungen zu seinen Nachbarn. Vor allem die Öffnung für Einwanderer aus Asien bringt nun ungeahnte wirtschaftliche Vorteile. Eine wachsende Zahl junger Arbeitskräfte spricht asiatische Sprachen ebenso fließend wie Englisch. Selbst europäischstämmige Australier lernen in der Schule statt Französisch oder Deutsch immer häufiger Indonesisch oder Japanisch.

Ausgerechnet die kulturelle Abkehr von Europa ist es, die Australien nun auch für europäische Firmen attraktiv macht. Eric Chauvistré