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Virtuoses fürs Gemüt

■ Das Hamburger Ensemble Intégrales

Freundinnen und Freunde zeitgenössischer Kammermusik sind in Hamburg wirklich zur Bescheidenheit verdammt. Denn zeitgenössische Kammermusik führt ein bescheidenes Dasein in Hamburg, und niemand ist anscheinend da, es unbescheidener zu machen.

Da ist jedes Bemühen lobenswert, zumal, da es so augenscheinlich aus Eigenstem kommen muß und ohrenscheinlich aus sehr Eigenem kommt: Sogar eine Uraufführung war zu hören am Montagabend im Artium der Studio-Kinos in der Bernstorffstraße beim Konzert des Hamburger Ensembles Intégrales.

Zusammen mit der Sopranistin Julia Henning als Gastsolistin eröffnete die Geigerin Barbara Lüneburg das Programm mit György Kurtags Kafka Fragmente. Dabei wurde besonders die Sängerin dem Anspruch des Abends in beachtlichem Umfang gerecht, „inszenierte Musik“aufzuführen. Nicht nur die Musik, auch der Vortrag wurde gestisch und mimisch inszeniert. So „spielte“Julia Henning die von Kurtag aus Kafkas Tagebüchern herausgelesenen Bruch- und Traumstücke sensibel und expressiv, vom simplen Laut übers Sprechen und melodisch-schönen Singen bis hin zum exaltierten Schrei. Die Geigerin begleitete mit Virtuosität wie seit Jahrhunderten üblich, nur mit den Mitteln unserer Zeit.

In Hans-Joachim Hespos'IKAS begleitete Altsaxophonist Burkhard Friedrich sein Spiel mit Atem- und Mundgeräuschen, sowie einem staubaufwirbelnden Aufstampfen des Fußes. Tatjana Prelevic handhabte in Mary Jeanne Appledorns Liquid Gold den Flügel mit viel Engagement als Tasten-, Schlag- und Zupfinstrument und in der abschließenden Uraufführung von Burghard Friedrichs Herbst Tänze - ganz im Sinn Helmuth Lachenmanns - auch als Verursacher klangereignishafter Laute.

Ein Abend für Menschen mit Sinn fürs Geschehen zwischen und in den Tönen, mit Lust am Wundern und Spaß an der Überraschung, ein Abend kurzum fürs Gemüt. Stefan Siegert

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