„Alltag erträglicher machen“

■ ExpertInnen fordern ein Gesetz gegen Diskriminierung von Minderheiten

Was man in Deutschland alles darf: Einen Zettel vor die Tür hängen: „Schwarze kommen hier nicht rein“, „Ausländer Raus“sprühen oder brüllen, Schwule nicht in die Disco lassen, an verschleierte Frauen kein Auto vermieten.

Solange der Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt ist und ein Ausländer nicht nachweisen kann, daß er von der Diskriminierung persönlich betroffen ist, geht fast alles. Und Kneipiers, Autovermieter und Arbeitgeber sind fein raus, weil außerdem das wirtschaftsliberale Gebot der Vertragsfreiheit gilt. Mit wem ich meine Geschäfte mache, bleibt mir überlassen.

Daß all diese Regelungen der Diskriminierung von Minderheiten Tür und Tor öffnen, ist keineswegs Konsens. Seitens der Bonner Koalition wurden jedenfalls bisher keinerlei Schritte unternommen, ein Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden, das in Ländern wie Australien, England und den Niederlanden seit Jahren existiert. Stattdessen wird auf das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes verwiesen. Dabei zeigt unter anderem die niederländische Erfahrung nach drei Jahren deutliche Erfolge: Dort müssen Ausländer nicht mehr beweisen, daß sie diskriminiert wurden, sondern die Beweislast liegt bei dem anderen - häufig beim Arbeitgeber oder der Wohnungsbaugesellschaft.

Darüber, daß ein Antidiskriminierungsgesetz mehr als überfällig ist, waren sich aber zumindest die Experten, die am Montag abend auf Einladung der Frauenanstiftung ins Konsul-Hackfeld-Haus gekommen waren, einig. „Zumindest könnte es den Alltag von Migranten etwas erträglicher gestalten“, so Rose Baaba Folson von der Universität Oldenburg. Der aus Hamburg angereiste Dirk Hauer (GAL) erklärte, auch ein derartiges Gesetz schaffe den Rassismus nicht ab. „Aber es stärkt die Rechtsposition und das Selbstbewußtsein der hier lebenden Migranten.“Und auch Volker Kröning, Bremer SPD-Bundestagsmitglied beeilte sich, sein Interesse an einer derartigen Regelung zu versichern. Noch in diesem Sommer will die SPD ein „Gleichbehandlungsgesetz“dem Bundestag vorlegen.

Vorreiter auf dem Gebiet ist neben der PDS die Hamburger GAL: Seit Mai 1996 liegt dem dortigen Innenausschuß der Entwurf eines Landes-Antidiskriminierungsgesetzes vor. Um das Dilemma, daß derartige Regelungen auf Landesebene wenig wirkungsvoll sind, abzumildern, beinhaltet es den Auftrag, drei Bundesratsinitiativen zu starten. So soll nicht nur Hamburg eine Leitstelle für Migranten und Flüchtlinge bekommen und Fördergesetze für Migranten verabschieden, sondern auch auf Bundesebene geregelt werden, daß Deutsche und Nichtdeutsche innerhalb von vier Jahren vor dem Gesetz gleichbehandelt werden. Außerdem soll der strafrechtliche Beleidigungsbegriff auf rassistische Beleidigung ausgeweitet werden. Der SPD-Entwurf setzt sich demgegenüber vor allem für eine zivilrechtliche Verbesserung des Status von Minderheiten ein: So sollen Schadensersatz- und Unterlassungsklagen erleichtert werden.

Bremens Ausländerbeauftragte Dagmar Lill sprach sich dagegen aus, in ein Antidiskriminierungsgesetz auch noch arbeitsmarktpolitische Förderinstrumente aufzunehmen. „Das sollte eigentlich ein selbstverständliches Thema sein.“Als Ausländerbeauftragte sei sie aber immer wieder mit krassen Fälle von rassistischer Diskriminierung konfrontiert, ohne wirklich etwas unternehmen zu können. „Uns fehlen einfach die Instrumente.“

In Bremen stand ein eigener Entwurf für ein Landesantidiskriminierungsgesetz nicht zur Debatte, wird aber auch von der Ausländerbeauftragten für wenig sinnvoll erachtet. Letztlich, und da ist Lill sich mit fast allen Experten einig, könne nur eine bundesgesetzliche Änderung etwas bewirken. jago