Der Satellit ist schuld

■ ZDF will das öffentlich-rechtliche Digital-TV verschieben

Im letzten Jahr war es Leo Kirch. Daß er auf der Berliner Funkausstellung als erstes digitales Fernsehen präsentierte, machte die Branche wild, auch wenn bald herauskam, daß die Vorstellung nur eine Videosimulation war. Gegenüber von Kirch, zürnte damals Bertelsmann-Chef Mark Wössner im Vorstand, hätte man sogleich „eine andere Würstchenbude hochziehen müssen“. Die kriegte Wössner dann auf der Unterhaltungsmesse Cebit-Home, aber da wurde noch wilder simuliert als beim Konkurrenten Kirch – zwei Buden der inzwischen verlorenen Träume der Konzerne.

Dieses Jahr wollten es die Öffentlich-Rechtlichen sein, und sie wollten es gleich anders machen als die private Konkurrenz: Die bezahlfreien Digitalangebote von ARD und ZDF sollten zur Berliner Funkausstellung (IFA) Ende August starten und der privaten Konkurrenz die Show stehlen. Doch dann machte ZDF-Intendant Dieter Stolte plötzlich einen Rückzieher. In der vergangenen Woche traf er den ARD-Vorsitzenden Udo Reiter sowie die Intendanten Fritz Pleitgen (WDR) und Albert Scharf (BR) und verkündete anschließend im WDR- Medienmagazin, ARD und ZDF hätten sich „gemeinsam entschieden“: „Wir machen nur eine Vorstellung, die auf Fernsehgeräten zu sehen sein wird. Wir geben das Signal aber nicht ,on air‘“.

Demnach gibt es zur IFA nur eine Simulation. Der wirkliche Start solle erst Anfang November sein, wenn der Satellit Astra 1G im Orbit an der richtigen Stelle steht. Eine Übergangslösung, so Stolte, hätte zwei Millionen Mark gekostet. Auch Albrecht Ziemer, der technische Direktor des ZDF, bestätigte gestern: „Es wird jetzt definitiv nur ein Showcase.“

Doch die Schwierigkeiten, von denen der ZDF-Intendant sprach, sind andernorts unbekannt: „Es gab nie Probleme“, wundert sich Friedrich Karl Reichardt vom Satellitenbetreiber SES Astra. Und Michael Albrecht, der in Potsdam die ARD-Digitalpläne koordiniert, betont, die ARD wolle auf jeden Fall zur IFA starten. Auch Stoltes Kostenargument bestreitet er: „Da gibt es eher eine Kostenminimierung.“ Trotz der Interventionen des ZDF hat nämlich die ARD ein Abkommen mit dem Satellitenbetreiber erreicht, in dem eine Ersatzlösung beschlossen ist – die Digitalangebote könnten erstmal von einem anderen Satelliten senden.

Am Freitag treffen sich ARD- und ZDF-Vertreter in Mainz mit SES Astra und der Telekom, um über die endgültigen Modalitäten zu sprechen. Dennoch will das ZDF, anders als die ARD, sein Digitalangebot nach der IFA wieder ausknipsen, so Ziemer.

In der ARD wird nun spekuliert, was dem ZDF-Intendanten Anlaß geben könnte, den öffentlich-rechtlichen Digital-Coup von Berlin abzublasen. Es könnte, heißt es, der Einfluß des Medienunternehmers Leo Kirch sein, mit dem das ZDF ein Filmgeschäft plant. Kirch, so ist zu hören, scheut die Störung seiner digitalen Bezahlfernsehplanungen durch die Einführung des bezahlfreien Digital-TV von ARD und ZDF. Ziemer hingegen argumentiert, der Start sei erst sinnvoll, wenn sich die Konzerne Kirch und Bertelsmann mit der Telekom auf ihre Bezahl- TV-Pläne geeinigt hätten. Es gehe um die Harmonisierung der Betriebssoftware zwischen der Technik, das die Telekom für Pay-TV monopolisieren will (nach bisherigem Stand das Kirch-eigene) und dem geplanten Free-TV-Decoder. Der, so Ziemer, sei ohnehin nicht zur IFA in den Läden – und ohne kann niemand das Zukunfts-TV empfangen. Lutz Meier