Schriftsteller Lew Kopelew 85jährig gestorben

■ Der russische Literat erlag in einem Kölner Krankenhaus einem schweren Herzleiden. 1981 hatten die sowjetischen Behörden den Dissidenten ausgebürgert

Berlin (taz) – Der russische Schriftsteller Lew Kopelew ist gestern nachmittag in einem Kölner Krankenhaus in Folge seiner schweren Herzerkrankung gestorben. Er wurde 85 Jahre alt. Mit seinem langen Bart und seiner wunderbaren dunklen Stimme war er eine imposante Erscheinung, und zugleich verkörperte er etwas sehr Seltenes, nämlich die Identität von Leben und Anspruch. Denn genauso berühmt wie als Schriftsteller war er als Bürgerrechtler.

Wenn jemand stolz darauf war, ein Moralist, und zwar ein optimistischer Moralist, zu sein, dann er. In die Wiege hat ihm das niemand gelegt. Als junger Mann war Kopelew ein überzeugter, treuer Bolschewik. Ebenso noch als Offizier der Roten Armee. Doch als er nach vier Jahren Kampf siegreich in Ostpreußen einzog, empörte er sich über die eigene Truppe, die verwildert war, plünderte, vergewaltigte, mordete.

Wegen „Mitleid mit dem Feind“ und „bürgerlichem Humanismus“ wurde er ins Gefängnis geworfen und dann zu zehn Jahren Gulag verurteilt. Sein Bericht, „Aufbewahren für alle Zeit“, der zweite Band seiner Autobiographie, beschreibt diese Zeit. Selbst als Häftling blieb Kopelew dem Kommunismus treu. Als Stalin starb, vergoß er im Lager Tränen.

Es hat lange gedauert, bis er sich von seinen Illusionen verabschiedete. Als er sich in den siebziger Jahren für verhaftete Regimekritiker wie Solschenizyn, Medwedjew, Sacherow einsetzte, entließ ihn die Partei und verhängte ein Schreibverbot. Ende 1980 durften er und seine Frau Raissa überraschend in die Bundesrepublik ausreisen, ausgebürgert wurde er wenig später.

Auch in Deutschland warb Kopelew, ein enger Freund von Heinrich Böll, für Frieden und Verständigung, warnte vor Umweltzerstörung, für die Einheit von Politik und Moral. In Wuppertal hatte er eine Gastprofessur für deutsch- russische Geschichte. Die Entwicklungen in der Sowjetunion ab 1989 betrachtete er mit großer Sorge. Er warnte vor Korruption. Was ihm Drohbriefe der Mafia einbrachte, aber das schreckte ihn nicht. Anita Kugler