Heftige Kämpfe im Nordosten Angolas

■ Die Regierung will offenbar die von der Rebellenbewegung Unita kontrollierten Diamantengebiete erobern

Johannesburg (taz) – Seit zwei Monaten sitzen die angolanische Regierung und die einstige Rebellenbewegung Unita in einer „Regierung der Nationalen Einheit und Versöhnung“. Dennoch steht das Land kurz vor der Rückkehr in den Bürgerkrieg. Schon seit mehreren Wochen kämpfen Regierungstruppen in der Provinz Lunda Norte im Nordosten des Landes – angeblich, um geflüchtete Hutu-Milizen aus Ruanda zu vertreiben. Davon soll es tatsächlich ein paar hundert geben, die sich über die Grenze aus dem früheren Zaire abgesetzt haben, um vor dem neuen Regime unter Laurent Kabila zu fliehen.

Nebenbei verfolgt die Regierung unter Präsident Eduardo dos Santos aber offensichtlich ganz andere Interessen. Lunda Norte ist eine der diamantenreichen Regionen Angolas – unter Unita-Kontrolle. Mittlerweile hat die Regierung zugegeben, daß ihre Truppen auf dem Vormarsch sind. Als jüngste Begründung hieß es am Wochenende, Unita sammle schwere Waffen, ziehe Truppen zusammen und bedrohe damit den Frieden.

In bewährter Manier schieben sich beide Seiten gegenseitig die Schuld zu. Unita behauptet, Dutzende von Zivilisten seien bereits getötet worden und Tausende flüchteten aus den umkämpften Gebieten. Die Gefechte sollen nach Angaben von Beobachtern die schwersten seit Kriegsende sein. An einem Treffen mit seinem Erzfeind Jonas Savimbi ist Dos Santos bisher nicht interessiert.

Auch fast drei Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Lusaka hat Unita immer noch die territoriale Hoheit über 70 Prozent des Flächenstaates und damit fast ein Monopol auf die Diamantenförderung. Während die Regierung mit dem staatlichen Diamantenkonzern Endiama im Jahr rund 65 Millionen Dollar einnimmt, verdient Unita vermutlich fast das Zehnfache. Zudem verhandelt der Unita-eigene Diamantenkonzern SGM an der Regierung vorbei mit ausländischen Investoren. Erst in der vergangenen Woche wurde ein Abkommen zwischen den einstigen Bürgerkriegsparteien unterzeichnet, in dem Unita erstmals Schürfrechte in Regierungsgebiet erhält.

Gleichzeitig nutzt die Regierung offenbar die derzeitige Schwäche der Rebellen aus, um sich den Zugang zu deren Diamantenvorkommen militärisch zu erkämpfen. Mit dem Fall seines langjährigen Verbündeten Mobutu hat Savimbi seinen letzten Freund verloren. Mobutu unterstützte die rechte Guerilla im Nachbarland mit Waffen und Lebensmitteln und hielt ihr einen sicheren Rückzugsweg offen. Über Zaire wickelte die Unita einen Großteil ihrer Diamantengeschäfte ab – illegal – und finanzierte damit den Bürgerkrieg zu Hause.

Als der Diktator jetzt seinerseits in Bedrängnis geriet, dankte ihm Savimbi mit der Entsendung von Unita-Soldaten, die mit dessen Truppen gegen die aus dem Osten vorrückenden Rebellen kämpften. Die wiederum wurden nicht nur von Ruanda und Uganda unterstützt, sondern auch von Regierungstruppen aus Angola.

Über die militärische Schlagkraft von Unita streiten sich immer noch die Geister. Einige Beobachter meinen, daß die Unita sich durch die Kämpfe in Zaire konsolidiert habe und stärker sei als zuvor, zumal noch längst nicht alle Truppen zurückgekehrt seien. Andere vermuten, daß die Rebellen die Diamantengebiete nicht mehr halten können.

Durch die jüngsten Ereignisse werden die schönfärberischen Erklärungen der UNO, die aus ihrer Mission unbedingt einen Erfolg machen möchte, in Frage gestellt. Mehr als 7.000 Blauhelme sind seit zwei Jahren in Angola stationiert, um den Friedensprozeß zu überwachen und die Demilitarisierung zu organisieren. Ihren Angaben zufolge gibt es seit Ende vergangenen Jahres keine bewaffneten Unita-Soldaten mehr. Über 70.000 Unita-Leute waren einem UN-Bericht zufolge entwaffnet und in Auffanglagern stationiert worden. Schon damals schätzten Beobachter, daß mindestens 15.000 desertiert und zudem oft nur die schlechtesten Waffen abgegeben worden seien.

Halbherzige Drohungen, die Blauhelme nach Hause zu schicken, werden mittlerweile im Monatsrhythmus wieder zurückgenommen. Doch selbst der stets optimistische UN-Sonderbeauftragte für Angola, Alioune Blondin Beye, glaubt offenbar nicht ganz an seine Linie und ordnete jetzt eine Untersuchung der Vorgänge an. Der eigens entsandte General Phillip Sabanda hatte allerdings bis zum Wochenende nichts gehört und gesehen. „Wir sind hierhergekommen, weil sich beide Seiten für Frieden entschieden haben“, erklärte Beye. „Wenn sie jetzt zum Krieg zurückkehren wollen, kann niemand sie davon abhalten.“ Doch er hatte eine Lösung parat: Die Mission müsse noch einmal verlängert werden. Kordula Doerfler