■ Mit Devisenreserven auf du und du: Waigels Begehren
Berlin (taz) – Nachdem die Aktion Goldschatz mißlungen ist, begehrt Finanzminister Theo Waigel nun die ausländischen Währungsreserven der Bundesbank. Denn Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer schreibt die Devisen zum niedrigsten Kurs seit Bestehen der Bundesbank in die Bilanzen – ähnlich wie beim Gold. Aktuell liegen die Kurse jedoch höher. An diese Differenz möchte Waigel heran. Wenn Tietmeyer die Devisen zu einem höheren Kurs in die Bücher schreibt, hat er rechnerisch einen größeren Überschuß produziert. Der steht laut Bundesbankgesetz dem Finanzminister für seinen Haushalt zu.
Rund 70 Milliarden Mark hat die Bundesbank zur Zeit in Devisen angelegt. Abgesehen von wenigen Franken, Yen oder Pfund haben die Bundesbanker die deutsche Mark fast ausschließlich für US-Dollars ausgegeben. Anders als der Bestand der Goldbarren, der sich seit den sechziger Jahren nicht verändert hat, schwankt die Devisenmenge ständig. Täglich jonglieren die Bundesbanker mit den Dollars. Da werden sie über Nacht in Tokio angelegt, kurz vor Börsenschluß nach New York transferiert und am Morgen an der Frankfurter Börse aufs Parkett geworfen. Die Dollars bringen mithin Gewinne in die Kassen.
Unabhängig vom jährlichen Mittelkurs schreiben die Bundesbanker ihre Dollarbestände zum historischen Tiefststand von 1,36 Mark in die Bücher. Gestern jedoch wurde der Dollar mit 1,73 Mark in Frankfurt gehandelt. Diese Differenz wandert nicht in die Bilanz, sondern in die Rückstellungen der Bundesbank. Der mögliche Kompromiß zwischen Waigel und Tietmeyer könnte darin bestehen, daß sich beide auf einen Durchschnittskurs der vergangenen Jahrzehnte eingen. Der dürfte bei 1,50 Mark liegen. Würden die Devisen zu diesem Kurs neu bewertet, bekäme Waigel zwischen 10 und 15 Milliarden Mark zusätzlich.
Zur Haushaltssanierung des Euro-relevanten Jahres 1997 taugt diese kreative Buchführung allerdings nicht. Frühestens im kommenden Jahr könnte Tietmeyer dem bedrängten Finanzminister die Gewinne aus der Neubewertung überweisen. Immerhin muß Waigel für diese Geldschöpfung nicht das Bundesbankgesetz ändern, wie es für die Alchimie vonnöten gewesen wäre. Die Bundesbank hat zu beiden Schöpfungen eine klare Meinung. Im Monatsbericht Juni schreibt sie: „Zu einer nachhaltigen Verbesserung der öffentlichen Finanzen kann die Ausschüttung nur einen begrenzten Beitrag leisten.“ ufo
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