: Sehr auf der Suche
■ Gefühle aus zweiter Hand: Das Theaterstück über die Generation X
„Was verbirgt sich hinter dem ,X‘, der Variablen einer Generation in Ost und West? Wer sind wir, die Zwanzig- bis Dreißigjährigen?“ Fürwahr große Fragen, die das Theater Aspik stellt. „Highway X – Road to Romance and Ruin“ heißt das Stück, mit dem die Hildesheimer jetzt im Potsdamer Waschhaus gastieren, und das klingt natürlich klasse: irgendwie ziemlich ehrgeizig, irgendwie etwas melancholisch und jedenfalls sehr auf der Suche.
Am Rande des „Highway X“ lagern drei junge Leute, erzählen Kindheitserinnerungsgeschichten von der ersten Liebe und vom Abhauenwollen, ergehen sich in pathetischen Körperübungen und spielen kurze pointenlose Sketche, in denen es um Drive-In-Restaurants oder um die Begegnung eines Westtouristen mit einer polnischen Straßenhure geht. Zwischendurch interviewen sie sich in kurzen Videoausschnitten selbst, weltläufigerweise auf englisch; dazu schrammelt grungy Gitarrenmusik. Schließlich feiern sie eine abgefahrene Party im Wohnwagen eines gruseligen Tierpräparators, der nachts die toten Katzen von der Autobahn kratzt.
Das Theater Aspik versucht wirklich alles: depressiven Neorealismus, pseudoprivates storytelling, ein bißchen Bewegungstheater, ein bißchen den globalen Kulturimperialismus anprangern, ein bißchen Horrortrash, ein bißchen Multimedia. Und nichts davon macht Sinn, denn das ganze Generation-X-Getue ist bloß bei Douglas Coupland angelesene Pose, second hand emotion, ungefähr so persönlich wie ein Bravo-Steckbrief. „Can you describe yourself in three words?“ fragen sie sich gegenseitig in ihren Videoeinspielungen. „Ambitious, melancholic and ... äh ... also, zu vernünftig“, antwortet eine. So ist es.
Zu allem Überfluß gibt es zu diesem Stück einen Film, der auf einer Reise entlang der alten Reichsstraße R 1 von Aachen nach Königsberg gedreht wurde – auf der Suche nach der Generation X in Polen und Rußland. Ob die Hildesheimer dort fanden, was sie bei sich selbst gar nicht erst suchten, war jedoch nicht mehr zu erfahren. Der Film sollte im Anschluß an die Theatervorstellung gezeigt werden, aber das zwölfköpfige Publikum war schon verschwunden, bevor noch das Saallicht richtig brannte. Was immer die Generation X ist, in Potsdam verfügte sie jedenfalls über einen gesunden Fluchtinstinkt. Michael Mans
Heute, 19.30 Uhr, Waschhaus Potsdam, Schiffbauergasse 1
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