„Ich mache keine politischen Statements“

■ Interview mit der israelischen Künstlerin Sigalit Landau. Für sie vermittelt ihre Arbeit den Geruch der Umgebung. Ihr Container ist „ein Beispiel für den Umgang mit Territorien“

Die Installation von Sigalit Landau liegt versteckt hinter dem Kasseler Kulturbahnhof, den Catherine David als Aushängeschild für die documenta gewählt hat. In einem Container bewegt man sich über eine Berglandschaft aus Stahl auf eine schmale Öffnung zu, durch die der Kopf kaum paßt. Dort findet man sich in einem Herren-Pissoir wieder, das an Gefängniszellen erinnert. Für die 1969 in Jerusalem geborene Künstlerin ist die beengende Skulptur ein Bild der israelischen Palästina-Politik. Zeitgleich mit Kassel vertritt sie Israel auf der Kunst-Biennale in Venedig und stellt in der Berliner Galerie Contemporary Fine Arts aus.

taz: Ihre Arbeit bezieht sich auf den Sechstagekrieg von 1967 und die aktuellen Auseinandersetzungen mit Palästina. Sieht so Kunst im israelischen Alltag aus?

Sigalit Landau: Für mich bedeutet Alltag, nahe der Green Line zu leben. Meine Arbeit vermittelt einem den Geruch der Umgebung.

Politisch interessiert sich alle Welt für Jerusalem, kulturell bleibt die Stadt im Abseits. Gibt es nur mit der Darstellung des Krieges die Chance, international anerkannt zu werden?

Jerusalem ist eine Totenstadt, ein Ort, der wieder und wieder erobert, geplündert, ausradiert und neu aufgebaut wurde. Zugleich existiert Jerusalem als hochtechnologisches kulturelles Zentrum in Nahost. Meine Beziehung zu dieser Stadt ist, als ob ich vom Kopf her in einer Realität leben würde und unterhalb der Schultern in einem völlig anderen Klima, auf anderem Territorium. Das alles erzeugt schizophrene Gefühle: du identifizierst dich mit Land und Geschichte, aber du stellst dich gegen den Patriotismus.

Gehört Israel zu Europa, oder ist die Kultur aus der orientalischen Tradition hervorgegangen?

Es hängt viel von der Kluft ab, die sich zwischen archaischen und modernen Elementen ebenso auftut wie zur traditionell jüdischen Kultur der Emigranten aus dem Osten. Natürlich kann man auch in Israel leben, Kunstzeitungen wie Flash Art lesen und niemals in den täglichen Konflikt hineingezogen werden. Auf einem anderen Level wird dieser Zustand dann absurd: Letztes Jahr kam ein französischer Kurator mit dem Projekt für einen Internet-Kiosk, um auch Israel an die Informationen der internationalen Kunstwelt anzuschließen. Wir diskutierten das Ganze in einem Kibbuz: Warum kommt jemand hierher an die kulturelle Peripherie, um über einen kleinen Kiosk zu reden, wenn wir doch an den richtigen Sachen beteiligt werden wollen. Er hätte uns lieber das Programm der documenta erklären sollen, mit Internet kennen sich die Israelis gut genug aus.

Ihr Container in Kassel entzieht sich dem versöhnlich multikulturellen Charakter der documenta...

Der Container ist ein Beispiel für den Umgang mit Territorien. Damit ist beides gemeint, die Nation als abgegrenztes Gebiet und Kunst als kommunikatives Bindeglied. Aber es führt die Kreuzung ins Extreme: Von innen sieht es wie eine Berglandschaft aus, die sich aus der bildhauerischen Bearbeitung ergeben hat, während der Container selbst die Transportwege im globalen Netz reflektiert.

Hat Catherine David Sie eingeladen, weil sich Ihre Symbole gegen die Politik Israels richten?

Ich hole die Politik zwar in meine Installation hinein, aber ich mache keine politischen Statements. Meine Arbeit ähnelt mehr einem Socken, den man nimmt, um ihn über die schlechte Realität zu stülpen und dabei das Innere zugleich nach außen zu kehren. Der Container ist auch ein Schutz für die Zeit, die man darin verbringt.

Glauben Sie an künstlerische Utopien für die Gesellschaft, auf die sich die documenta seit ihrer Gründung beruft?

Kunst in Europa hat immer noch mehr mit Genuß und Elitebildung zu tun. Ich habe Erfahrungen anzubieten: als Kind des Sechstagekrieg an der Grenze zum arabischen Teil Jerusalems aufgewachsen zu sein. Das ist vergleichbar mit der Situation früher in West-Berlin. Es gab niemals Schulausflüge, bei denen nicht der Krieg das Thema vorgab. In Israel ist jede Fahrt ins Grüne immer noch gefährlich, schon wegen der Minen. Die Landschaft wirkt wie ein Schlachtfeld, ein Territorium für militärische Operationen. Das ist eine Tatsache. Aber wenn man auf Biographien schaut, haben unsere Väter irgendwo in Osteuropa wilde Erdbeeren vom Busch gepflückt. Das ist auch eine Tatsache.