Viel blauer Dunst

■ US-Tabakindustrie erkauft sich gutes Gewissen

Die Tabakindustrie der USA hat sich in einem außergerichtlichen Vergleich bereit erklärt, innerhalb von 25 Jahren 630 Milliarden Mark für Entschädigungen, Gesundheitsfonds und Aufklärungsprojekte zu zahlen. Vom „historischen Sieg der Tabakgegner“ ist die Rede. Militante Nichtraucher triumphieren ebenso wie gebeutelte Nikotinopfer. Doch worin besteht der Erfolg? Zwar hat die Tabakindustrie lange dementiert, daß Rauchen die Gesundheit nachhaltig schädigt und die Lebenszeit verkürzen kann. Aber welcher – auch US-amerikanische – Raucher war je so naiv, Durchblutungsstörungen und Atembeschwerden nicht mit den unscheinbaren Tabakröhrchen in Verbindung zu bringen?

Es spricht nichts dagegen, daß die Tabakkonzerne einen Teil ihrer üppigen Gewinne an die Gesellschaft zurückfließen lassen, der sie allzu lange vorgegaukelt hatten, Rauchen mache Spaß und sonst gar nichts. Und doch greift eine Interpretation, die einen „Sieg“ in diesem Vergleich sieht, zu kurz. Die Tabakindustrie müsse wie andere für ihre Produkte haften, wird argumentiert – eine falsche Analogie. Von einem Hersteller für Kaffeemaschinen darf der Käufer erwarten, daß nicht ständig die Sicherungen herausspringen; passiert es, muß der Hersteller für Schäden haften. Bei Zigaretten liegt die Gefahr jedoch im Produkt an sich. Wer raucht, trägt selbst das Risiko – und bürdet es auch noch unfreiwilligen Mitrauchern auf. Gibt es Raucher, die behaupten können, sie hätten nicht gewußt, daß Qualmen schädlich sei, weil die Zigarettenwerbung nur vitale Gestalten zeige? Unsinn. Informationen über die Folgen des Rauchens gibt es reichlich, ebenso wie Angebote, von den Fluppen zu lassen.

Aber in den USA ist man schnell bereit, hohen Schadenersatzklagen stattzugeben. Die Ausgleichszahlungen der Zigarettenindustrie ragen nur heraus, weil die Summe so immens ist. Daß in Europa eine vergleichbare Vereinbarung getroffen wird, bleibt jedoch unwahrscheinlich; dagegen spricht die Rechtskultur. So mag es vielleicht irgendwann einmal ein Verbot für Zigarettenwerbung geben, aber keine Milliarden an Entschädigungen. Dem oder der gemeinen RaucherIn von nebenan wird kaum etwas anderes übrigbleiben, als die qualmfreie Zukunft in die eigene Hand zu nehmen. Gudrun Giese

Bericht Seite 7