Politische Beerdigung einer Schlachtorgie

■ Bauern haben sich durchgesetzt – BSE-Schlachtungen verschoben

Bern/München (taz) – Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde die umstrittene BSE- Schlachtverordnung ausgehebelt. Nach wie vor läuft die Schlachtaktion, und allein im Freistaat Bayern wurden bislang über 3.000 Rinder britischer und schweizerischer Herkunft getötet. Das betrifft die Tiere, deren Züchter und Halter sich der Verordnung gefügt und keinen Widerspruch eingelegt haben. Doch eine ganze Reihe von Bauern, vor allem von Extensivrassen, haben sich von Anfang an gegen die Schlachtpläne gewehrt.

Mit Erfolg, wie sich jetzt zeigt, denn durch einen juristischen Rückzieher gerade des Freistaats Bayerns sind die noch fälligen Schlachtungen quasi auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Das letzte Wort wird wohl erst vom Bundesverfassungsgericht gesprochen werden, und das kann noch Jahre dauern.

Es ging alles ganz leise. Nach dem großen Tamtam und der größten Rindertötungsaktion der bundesdeutschen Geschichte kam der Rückzieher weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Die Aufhebung des Schlacht- und Verbringungsverbots für die sogenannte F-1-Generation, also der Jungrinder der ersten Nachfolgegeneration, wurde von einer informierten Minderheit noch registriert. Aber eine Anweisung des bayerischen Sozialministeriums an die Bezirksregierungen wurde in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen. Ausdrücklich werden die Bezirksregierungen aufgefordert, die sofortige Vollziehung der Tötungsanordnungen bei Züchtern, die Widerspruch eingelegt haben, so lange auszusetzen, bis eine „abschließende gerichtliche Klärung erfolgt in einem nicht notwendigerweise bayerischen Hauptsacheverfahren, gegebenenfalls durch das Bundesverfassungsgericht“.

Einer der widerspenstigen Bauern, der Allenhausener Landwirt Andreas Blank, Züchter von Original Schweizer Braunvieh, schüttelt den Kopf: „Die deutsche BSE- Politik ist eindeutig gescheitert. Das ist doch alles nur eine Show, ein Ablenkungsmanöver gewesen, das von den Unzulänglichkeiten der deutschen Politik und Behörden ablenken sollte“, sagt der gutinformierte Allgäuer Züchter, der ausschließlich Braunvieh... im Stall stehen hat. „In keinem einzigen Fall ist beim Schweizer Zuchtverband, von dem die stammen, BSE aufgetreten.“

Doch was nützt diese Information, wenn Tausende von Rindern einfach dahingeschlachtet werden, nur um der Öffentlichkeit eine rigorose BSE-Politik vorzugaukeln, fragt Bauer Blank. Abscheulich sei es gewesen, wie da einer politischen Hysterie wegen Tausende von Rindern wider besseres Wissen abgeschlachtet wurden. Empört darüber auch der Schweizer BSE-Experte Professor Marc Vandevelde (siehe Interview).

Auch die juristische Argumentation sei nicht stimmig. Wenn es sich bei BSE um eine Tierseuche handeln würde, was nachweislich nicht der Fall sei, dann hätte einfach umgehend gehandelt, sprich: geschlachtet werden müssen. Nachdem nun aber mal bei BSE eine Einzeltiererkrankung vorliege, die weder vertikal noch horizontal (Mutterkuh-Kalb oder Berührung-Kontakt) übertragen wurde, hätte man die BSE-Verordnung auch nicht auf das Tierseuchenrecht stützen dürfen. Jetzt bei den Landwirten einfach weiterzuschlachten, die sich nicht wehren, den anderen aber den „ewigen Rechtsweg“ zu ermöglichen, sei absurd, heißt es bei den Widerständlern.

Empört sind sie über ihren eigenen Verband, der – wie Andreas Blank meint – gerade die kleinen Züchter völlig im Stich gelassen habe. „Die Behörden haben wahrscheinlich, als sie diese Dauerverordnung in Kraft gesetzt haben, nicht damit gerechnet, daß in ganz Deutschland Bauern so massiven Widerstand leisten. Es ist auch sicherlich nicht das Verdienst des deutschen oder des bayerischen Bauernverbands, daß man die F-1- Generation gerettet hat. Diese Herren haben am wenigsten dazu beigetragen.“

Der Widerstand sei ungebrochen, auch wenn einige Bauern aus wirtschaftlichen Gründen den Schlachtungen doch noch zugestimmt hätten. „die anderen hingegen haben zwischenzeitlich die formellen Widersprüche auf den Weg gebracht.“

Bestätigt sehen sich Forscher Vandevelde und Bauer Blank durch die im Mai bekanntgewordenen Umstände einer spektakulären Entlassung einer Tierärztin bei der Norddeutschen Fleischzentrale (taz vom 24. Mai 1997). Die Veterinärin darf laut einem Urteil des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts weiterhin behaupten, daß bei der Nordeutschen Fleischzentrale „hin und wieder BSE-auffällige Tiere“ ohne weitere Untersuchung normal geschlachtet wurden, und das, so der Unterallgäuer Bauer, mache doch deutlich, wie ernst es Deutschland mit der BSE-Vorsorge nehme. Klaus Wittmann