Atomspion verurteilt

■ Geheimnisverrat an die Stasi bringt Bewährung für Ex-Nukem-Arbeiter

Berlin/München (taz/rtz) – Ein ehemaliger Mitarbeiter der Atomfirma Nukem wurde gestern wegen Spionage für die Stasi zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe von 20.000 Mark verurteilt. Angeklagt war vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht in München ein 49jähriger Atom- physiker aus Franken. Er soll nach Erkenntnissen der Anklage von 1977 bis zur Wende vertrauliche Störfallanalysen für Atomanlagen sowie Berichte über Risiken bei der Entsorgung von Atommüll an das DDR-Ministerium für Staatssicherheit verraten haben. Dafür habe er mindestens 60.000 Mark erhalten. Das Geld wurde teilweise auf Sparbüchern in der DDR angelegt – für den Fall, daß er nach seiner Enttarnung hätte fliehen müssen.

Der Mann sagte, er habe niemandem schaden wollen. Vielmehr sei es ihm um den Schutz der „Bevölkerung hüben und drüben“ gegangen. Inzwischen hat der Physiker einen Windgeschwindigkeitsmesser erfunden und mit Hilfe öffentlicher Mittel eine Firma zu dessen Herstellung gegründet.

Die Nukem in Hanau gehörte früher der Degussa und der RWE, heute allein dem Energie- und Atommulti aus Essen. Sie handelt vor allem mit Uranbrennstoff für Atomkraftwerke.

„Daß hier über 13 Jahre lang unbemerkt Spionage und Geheimnisverrat betrieben werden konnte, zeigt schwerste Sicherheitsmängel bei der Nukem“, so Eduard Bernhard, Sprecher der Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und Experte in Sachen Hanauer Atomkomplex. Er fordert Landtag und Bundestag auf, entsprechende Verbesserungsmaßnahmen zu beschließen.

Der verurteilte Physiker hat laut Bundesanwaltschaft auch Analysen über den Schwund bei der Verarbeitung von Uran an die Stasi geliefert. Diese Daten geben an, wieviel Brennstoff verschwinden kann, bevor das verarbeitende Unternehmen den Verlust sicher messen kann. Der Schwund liegt zum Beispiel bei einer Wiederaufarbeitungsanlage im Bereich von einigen Prozent. rem