piwik no script img

Der Riese zehrt noch von der Einsamkeit

■ Heute steigt die erste Hauptversammlung der Deutschen Telekom – die drei größten Konkurrenten lauern auf den Januar, dem Ende des Telefonmonopols

Berlin (taz) – Welche Firma hat mehr Kunden als der Bundesfinanzminister mit seinen 30,4 Millionen Steuerzahlern? Die Deutsche Telekom AG mit immerhin 44,1 Millionen. Heute hält die Herrscherin über den drittgrößten Telefonmarkt der Welt ihre erste Hauptversammlung. Letzten November hatte sie 713 Millionen Aktien unters Volk gebracht, ein Viertel ihrer Anteile. Den Rest hält noch der Bund.

Die T-Aktie hat der Verbreitung von Aktien unter den vorsichtigen Deutschen neuen Schwung verliehen. Dafür hat schon allein der Kursgewinn gesorgt. Die Aktie stieg vom Ausgabekurs 28,50 auf derzeit gut 43 Mark. Etwa 1,9 Millionen Anleger besitzen T-Aktien – darunter 500.000, die vorher nie Aktien besessen haben.

Die Massenversammlung in den Frankfurter Messehallen wird nicht nur eine Premiere sein. Gleichzeitig ist sie auch die letzte Versammlung, die die Telekom als Monopolist erlebt: Ab 1. Januar 1998 ist die Vermittlung von Telefongesprächen über Kabel auch anderen erlaubt. 13 Lizenzen für die Sprachübermittlung hat das Bundesministerium für Post und Telekommunikation schon vergeben, davon acht bundesweit.

In Deutschland wollen drei Hauptkonkurrenten der Telekom Marktanteile abnehmen. Bisher am dicksten im Geschäft ist Mannesmann mit seinem D 2-Mobilfunknetz. Zusammen mit der Deutschen Bahn betreibt Mannesmann darüber hinaus die Firma Arcor, die im Festnetz ähnlich erfolgreich werden soll wie die Mobiltochter. Ihr Plus ist das verzweigte Streckennetz der Bahn. Einige illustre Minderheitsgesellschafter wie die Deutsche Bank sind mit von der Partie.

Die Viag Intercom baut auf das Glasfasernetz und die volle Kriegskasse des bayerischen Staatskonzerns Viag samt dessen Stromtochter Bayernwerke. Außerdem ist hier die British Telecom Partner, die schon Erfahrung mit der Liberalisierung des Marktes in Großbritannien vorweisen kann. Als dritter Konkurrent tritt O.tel.o auf. Hier haben sich die ebenfalls milliardenschweren Konzerne Veba und RWE samt ihren Leitungsnetzen zusammengetan. O.tel.o betreibt zusammen mit Thyssen und anderen den Mobilfunker E plus.

Wie gefährlich die Konkurrenten der Telekom wirklich werden, ist umstritten. O.tel.o und Viag Intercom wollen bis zum Jahr 2005 je etwa zehn Prozent des Marktes halten, indem sie zum Beispiel Ferngespräche billiger anbieten als die Telekom. Doch der Branchenführer kann sich durchaus wehren. Einerseits gehören ihm alle Leitungen in den Häusern der Kunden. Und die Modalitäten der Kabelvermietung an die Konkurrenz sind ein halbes Jahr vor der Liberalisierung der Telefoniererei noch immer ungeklärt. Andererseits ist in der Telekom-Bilanz erheblich Luft für Preissenkungen: Bei einem Umsatz von 63 Milliarden Mark 1996 lag der Überschuß bei etwa zehn Milliarden Mark. Der Bilanzgewinn nach Rückstellungen für Entlassungen, nach Steuern und dem Tilgen der hohen Schuldenlast lag zwar „nur“ bei 1,8 Milliarden, doch die Schuldentilgung kann die Telekom zur Not strecken und die so freigewordenen Milliarden für einen Preiskampf nutzen. Reiner Metzger

Die Telekom-HV im Internet unter http://www.dtag.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen