Der Hasenohren-Samurai

■ Stan Sakei zeichnet ornamentales Gemetzel in „Usagi Yojimbo“

Das war ein rabenschwarzer Tag für den Hasen Usagi: Gedungene Ninja-Maulwürfe, von Kopf bis Klauen in schwarze Kampfanzüge gekleidet, massakrierten seinen Herrn Mifune. Mifune war ein freundlicher Waschbär, aber leider allzu tief in Kabale am Hof des amtierenden Shoguns verstrickt. Gegen die geballte Übermacht seiner Feinde, aufgehetzt von der intriganten Giftschlange, konnte selbst die sagenumwobene Kampfkunst Usagis nichts ausrichten.

Schlimm für den Yojimbo, den Leibwächter: Mit Mifunes Tod wird er arbeitslos. Schlimmer noch für Usagi, denn als gescheitertem Samurai ist ihm jede neue Festanstellung untersagt. Folglich muß er, meist mißgelaunt und über existentielle Dinge sinnierend, durch das spätmittelalterliche Japan wandern. Gelegenheitsjobs halten ihn über Wasser: Er rettet Witwen und Waisen vor marodierenden Wildschweinbanden, schützt die kleinen Kinder eines Pandabär-Prinzen vor fiesen Häschern und erlöst Bauerndörfer vom Terror ihre Gestalt wandelnder Riesenkatzen.

Man sieht schon: Stan Sakai, in Kyoto geborener, auf Hawaii aufgewachsener Comic-Zeichner, dekliniert in seiner Usagi-Yojimbo-Serie das Motiv-Repertoire des japanischen Genre-Films. Cineasten haben die Hommage längst bemerkt: Toshiro Mifune, der Usagis ermordetem Arbeitgeber den Namen leiht, ist ein legendärer Samurai-Film-Regisseur der fünfziger Jahre. Zum japanischen Comic wahrt Sakai, anders als man vermuten würde, Distanz.

Denn nicht nur, daß Samurai-Mangas selten mit knuffigen Kleintieren besetzt sind. Man rühmt sie auch nicht für Selbstironie, und ihr Tempo unterscheidet sie deutlich: Meist bestaunt man die Eleganz, mit der sie Bildräume auf eine einzelne Dynamik verdichten. Sakai hingegen verstreut den Schwung seiner Handlung auf die Komposition von Kleinigkeiten. Von Bewegungslinien weitgehend gereinigt, gerinnen seine Panels zu Standbildern, in denen jedes Detail eigene Aufmerksamkeit verlangt.

Dazu paßt, daß er bevorzugt Tierfiguren vermenschlicht, deren komplizierte Körperkonturen den Durchschnittszeichner zweifellos überfordern würden: Iltisse mit fusseligem Fell, Warzenschweine mit schwierigen Gebißkonstruktionen, unrasierte Nashörner im Unterhemd. Für Sakai können Outfit und Physiognomien nicht skurril genug sein. Seinen hybriden Kunstkreaturen immer neue Arten des gestischen und mimischen Ausdrucks abzugewinnen, betreibt er wie einen Wettsport. Man betrachte allein die erstaunlichen Schlenker, die Usagis Hasenohren beim Schwertkampf vollführen – und das, obwohl er sie kunstvoll und sachgerecht mit einem Samurai-Gürtel zusammenhält.

Würden all die ornamentalen Gemetzel, mit denen Sakai sein Publikum unterhält, nicht von lauter possierlichen Tieren angezettelt und durchgeführt, seine Geschichten wären reaktionär und, schlimmer noch, wohl ziemlich öde. So aber geben sie einem kurzweiligen Formen- und Körperspiel Raum, dessen kunstfertige Inszenierung im Mainstream-Comic derzeit ihresgleichen sucht.Jens Balzer

Stan Sakai: „Usagi Yojimbo“, Carl-sen Verlag, Hamburg, bisher 6 Bände, je 16.90 Mark