: Wachwechsel in Irland
■ Bertie Ahern von den „Soldaten des Schicksals“ zum neuen Premier gewählt
Dublin (taz) – Irland hat eine neue Regierung. Am Donnerstag abend wählte der Dáil, das irische Parlament, den 46jährigen Bertie Ahern aus Nord-Dublin zum neuen Taoiseach – das ist gälisch und heißt Häuptling. Ahern lebt von seiner Frau getrennt. Noch vor zehn Jahren wäre das eine unüberwindliche Hürde für das Amt des Premierministers gewesen. Weil seine Partei Fianna Fáil (Soldaten des Schicksals) über keine Mehrheit verfügt und auch die vier Stimmen des winzigen Koalitionspartners Progressive Democrats nicht ausreichten, war Ahern auf die Stimmen von parteilosen Abgeordneten angewiesen.
Die bekam er, weil er drei Abgeordnete mit Zugeständnissen kaufte: Die für ihre Schlaglöcher berüchtigten Straßen in den ländlichen Wahlkreisen der drei Parteilosen bekommen neue Asphaltdecken, darüber hinaus baut Ahern ihnen eine neue Schule, ein Veterinäramt und eine Fabrik. Die vierte Stimme bekam Ahern ohne Zugeständnis: Caoimhghin O Caoláin, der einzige Abgeordnete der IRA-Partei Sinn Féin, stimmte für Ahern, weil er sich von der Koalition eine neue Initiative in Sachen Frieden für Nordirland erhofft.
Zum erstenmal sitzt eine Frau auf dem Stuhl des stellvertretenden Regierungschefs: Mary Harney von den Progressiven Demokraten, die sich vor ein paar Jahren aus rein persönlichen Gründen von Fianna Fáil abgespalten, aber wegen des Angebots von zwei Kabinettspöstchen die alten Animositäten flugs begraben haben.
Der Regierungswechsel hat keinen Einfluß auf die irische Politik. Sowohl was Europa angeht, als auch im wirtschaftlichen und sozialen Bereich gibt es zwischen der alten und der neuen Koalitionsregierung kaum Unterschiede. Wahlen werden vor allem aufgrund von familiären Bindungen an eine der beiden großen Parteien entschieden, die sich im Unabhängigkeitskrieg und dem darauffolgenden Bürgerkrieg in den zwanziger Jahren herausgebildet haben. Ralf Sotscheck
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