Terrorakte gegen Somalier teils erfunden

Einige der Fotos von folternden italienischen Soldaten sind gefälscht. Eine Reihe von Foltervorwürfen kommen dennoch vor Gericht. Ein somalisches Opfer tritt als Nebenkläger auf  ■ Aus Rom Werner Raith

Vorsicht war von vornherein geboten: Zu dicht kamen da plötzlich Enthüllungsgeschichten über Folterungen seitens italienischer Soldaten während der UNO-Aktion „Restore Hope“ in Somalia: Nicht nur Elektroschocks und Vergewaltigungen wurden da mit Fotografien belegt, sondern auch regelrechte Hinrichtungen, Scheibenschießen auf vorbeifahrende somalische Autos, ja, sogar ein ganzer in die Luft gesprengter Jeep war abgelichtet, mit UNO-Soldaten (auch drei Deutschen) im Hintergrund.

Nun stellt sich heraus, daß zumindest die mit Todesfolgen verbundenen Vorgänge allesamt erfunden waren. Das Enthüllungsmagazin Panorama aus dem Hause des Medientycoons und ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi mußte sich öffentlich entschuldigen. Obwohl den Nachrichtenbastlern bekannt war, daß der sizilianische Soldat, von dem die Fotos und die Horrorberichte stammten, schwer heroinabhängig war und seine Story immer weiter aufpäppelte, um noch mehr Geld zu bekommen, hatte das Blatt die Geschichte ohne Gegenrecherche gedruckt und als weiteren Beweis für die durchgängige Rohheit der „Folgore-Brigade“ gewertet, die seinerzeit in Somalia im Einsatz war. Mitte der Woche hatte der Soldat gar einen Angriff auf sich selbst simuliert, um die Gefährlichkeit seiner Enthüllungen noch glaubhafter zu machen.

Dennoch ist mit dem Bekanntwerden der Fälschung der Makel nicht von der einstigen Elite-Einheit des italienischen Militärs (es hat seinen legendären Ruf im Zweiten Weltkrieg bei dem Einsatz in El Alamein erworben) getilgt. Die ersten beiden fotografisch dokumentierten Episoden – ein Soldat kniet mit Elektroden neben einem nackt am Boden liegenden Mann, und auf einem weiteren Bild schieben Soldaten einen Knüppel in die Scheide einer Frau – scheinen authentisch zu sein.

Jedenfalls ist es dem Panorama- Konkurrenzblatt L'Espresso gelungen, einen jungen Mann in Somalia ausfindig zu machen, der behauptet, das seinerzeitige Opfer der Foltermaßnahmen gewesen zu sein. Er will auch als Nebenkläger in dem angekündigten Prozeß gegen die mittlerweile erkannten italienischen Soldaten auftreten. Seinen Angaben zufolge wurde er viermal mit Elektroschocks malträtiert, weil er angeblich etwas gestohlen hatte.

Der italienische Soldat dagegen behauptet, das Gerät neben dem Mann auf dem Foto sei ein schlichtes Feldtelefon gewesen (und so sieht es in der Tat aus), mit dem man gerade mal 12 Volt erzeugen könne. Man habe den Mann, den die somalische Polizei als Terroristen bezeichnet habe, lediglich einschüchtern wollen, zumal er ständig Ohnmachtsanfälle simuliert habe.

Inzwischen ist der Somalia- Skandal jedoch um eine weitere Erkenntnis bereichert worden: Der grüne Abgeordnete Stefano Semenzato behauptet, dem militärischen Geheimdienst SISMI hätten bereits seit vier Jahren – faktisch seit Beendigung der UNO- Mission – eindeutige Erkenntnisse über Folterungen somalischer Bürger durch italienische Soldaten und andere Mitglieder der UNO- Mission vorgelegen, ohne daß die aufeinanderfolgenden Regierungen – vier an der Zahl – daraus irgendwelche Konsequenzen gezogen hätten.

Verteidigungsminister Beniamino Andreatta dagegen behauptet, die damaligen Vorhalte seien so nebulös und so wenig dokumentiert gewesen, daß man daraus keine Konsequenzen habe ziehen können. Was wiederum unwahrscheinlich klingt: Auch die nun inkriminierenden, offenbar echten Fotos von folterähnlichen Einschüchterungen hatten den italienischen Geheimdiensten vorgelegen.