■ Nachschlag
: Die Literaturzeitschrift "Zäpfchen" stellte sich im Kulturhaus Mitte vor

Ob nun fiktiv oder nicht: Anstatt seine Freunde am Telefon oder den Nachbarn im Treppenhaus mit endlosem Lamentieren zu nerven, bestellt man kurzum zum literarischen Abend, plaziert die Leute in einen elegant erleuchteten Raum, präsentiert ihnen in barocker Erzählfreude seine „Probleme“ und kassiert dafür noch einen Lacher nach dem anderen. So geschehen am Samstag abend im Kulturhaus Mitte, als Thilo Bock, einer der jungen Autoren der dort vorgestellten Literaturzeitschrift Zäpfchen, seine Erzählung „Ihre Probleme möchte ich haben!“ vortrug.

Darin verstrickt sich ein Late- night-Show-Witzeschreiber hoffnungslos im Chaos der Liebe, nachdem ihm das Unheil in Gestalt einer taz-Redakteurin begegnet ist, deren Karriere über die FAZ zur BILD führt. Der kabarettähnliche Vortrag war Höhepunkt einer Lesung, die um einiges ernsthafter begonnen hatte. Viel Lyrik hatte es gegeben, zwischendurch kurze Erzählungen. Mal etwas betulich, mal mit verwegenem Gestus, immer aber sehr sprachgewandt erscheint darin meist der Berliner Alltag in Ich-Perspektive. Die AutorInnen von Zäpfchen bemühen sich, so sagen sie selbst, um distanzierte Selbstbeobachtung. „Letztlich ist es die Biographie, die prägt, und nicht Mode“, erklärte der Herausgeber Robert Schumann den Ansatz hinter der Zeitung mit dem seltsamen Namen. Mit einem bewußt bescheidenen Taschenbuchformat wollen sich die AutorInnen vom elitären Habitus distanzieren, der Literaturzeitschriften oft umgibt. Gern weisen sie allerdings darauf hin, daß sich bereits das Feuilleton der FAZ lobend über die Zeitschrift geäußert hat.

Zwar kommen die Inhalte der Beiträge mitunter etwas banal daher (Beobachtungen zur „Katze in den Kohlen“ oder dem „roten Feuerzeug“ reißen einen ja nicht gerade vom Hocker). Andererseits ist an den Texten vor allem die Art faszinierend, in der sie sehr genaue Bilder ausarbeiten, die über den reinen Dingbezug hinausreichen. So mutiert die Kohlenkatze zur mysteriösen Erscheinung im öden Alltag, das Feuerzeug wird Ausgangspunkt für die Beschreibung eines heißen Tages in Algerien. Von dort kam man dann nicht so schnell zurück nach Berlin. Mara Borchardt