Erinnerungen an die Press-Sisters

■ Eine Anmerkung zur Rezeption der Tennisspielerin Kournikova

Wimbledon (taz) – Wer kann sich noch an die Geschwister Press erinnern? Die Press-Sisters waren in den 60ern so etwas wie das Sinnbild der sporttreibenden (sowjet-) russischen Frau. Stämmig – sehr stämmig von Gestalt, ausgestattet mit zweckmäßiger, uneitler Haartracht und rassigem Damenbart. Die Press-Schwestern trugen weitläufige Turn- und Trainingshosen, zu einem Oberteil, dessen einziger Schmuck der Sowjetstern war.

Wenn Tamara Press zum Kugelstoß antrat, dachte keiner der im Publikum anwesenden Menschen an anderes als an Kugelstoßen. Wenn Anna Kournikova den Platz betritt, ist das offenbar anders. Woher man das weiß? Man kann es hören. Im Drittrundenspiel der Russin gegen Anke Huber ging es auf dem altehrwürdigen Center Court zu, wie auf einem italienischen Marktplatz, den gerade Claudia Schiffer überquert. Sie wissen, was ich meine?

Diese zweisilbige Tonfolge, auf der ganzen Welt gleich – der Gesang des Machovogels. Die noch sehr junge Kournikova (16) war offenbar nur einen Satz lang davon irritiert, dann gewann sie das Match sicher gegen die gesetzte, aber unbepfiffene Frau Huber (3:6, 6:4, 6:4).

Soll man jene nun tadeln, die sich nicht scheuen, die Sporttreibenden mit quasisexuellen Avancen zu belästigen? Oder könnte man sich darauf einigen, daß eben jene einer Stimmung ironischen Ausdruck verleihen, die eben auf fast allen Sportplätzen existiert, auf denen sich junge und in der Regel wohlgestaltete Menschen messen. Dabei tragen die Frauen häufig sehr enge und sehr kurze Kleidung, was dazu führt, daß sie hin und wieder relativ intime Ausblicke auf ihre Anatomie gestatten. Übrigens wird auch gejohlt, wenn Boris Becker das Trikot wechselt. Nichts ist dabei, wenn man den Tennisspieler nicht nur als Ballmaschine interessant findet. Blöde wird es nur, wenn man so tut, als wäre dem nicht so – und gehöre nicht auf den Sportplatz. O ihr Blauäugigen beziehungsweise Scheinheiligen! Das hat schon immer auf den Sportplatz gehört.

Außerdem: Wer hindert den oder die, der oder die diese Art von Aufmerksamkeit nicht mag, sich in längere Kleider zu hüllen? Zur Not kann er/sie sich ja aus dem Nachlaß der Schwestern Press bedienen. Albert Hefele