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: Kein Galopper des Jahres

„Tatort: Tödlicher Galopp“

Seit Doc Schneider die Sachsen großzügig mit Investitionsruinen bedacht hat, sind Baulöwen aus dem Westen in Leipzig nicht allzugern gesehen. Noch nicht einmal eine schöne Spielbank dürfen sie aus der maroden Pferderennbahn machen, ohne daß die Leute im Stall gleich zu Mistgabel und Ärgerem greifen.

Im nahen Dresden wird hingegen galoppiert wie eh und je. Bis plötzlich eine tote Jockeyfrau zwischen den Pferdeäpfeln liegt und sich noch als Leiche von ihrem windigen Lover abknutschen lassen muß. Doch da naht schon der sittenstrenge Kommissar, dem Nekrophilie genauso verhaßt ist wie alles, was aus dem Westen in sein schönes Sachsen schwappt.

Es mag ja stimmen, daß im Osten des Landes immer noch viele schlechtgelaunte Menschen hinter Supermarktkassen und auf Polizeirevieren sitzen – aber in diesem Fall ging es dem MDR offensichtlich weniger darum, ostdeutsche Mentalität authentisch abzubilden, als vielmehr den internen Wettbewerb der Sendeanstalten – „wer hat den kauzigsten Kommissar“ – für sich zu entscheiden. Und deswegen muß Kommissar Bruno Ehrlicher zunächst mal alle Kollegen grundlos zusammenscheißen, bevor er dem sympathischen Immobilienhai aus Liechtenstein an die Gurgel springt – nur weil der ihn bei einem Cognac im Helikopter bestechen wollte.

Nein, dieser Kommissar ist mit jeder Dialogzeile ein Mann des Volkes. Einer, der sich selbst mit Mördern gemein macht, wenn sie nur so knuffig aussehen wie Rolf Hoppe als Eiserner Gustav. Denen verzeiht er selbst einen kaltblütigen Mord, Hauptsache, der Hingerichtete fuhr einen Jaguar – denn dann mußte er ja sowieso irgendwie weg.

Hinter dieser plumpen Klasse-gegen-Klasse-Folklore litten zwangsläufig die Ermittlungen. So hätte den weiblichen Jockey eigentlich jeder toxikologisch aus dem Sattel werfen können – daß es letztendlich der böse „Geldsack“ war, machte aus dem „Tatort“ nicht eben einen Galopper des Jahres.

So war das einzig Stimmige an diesem Krimi das Timing. Kurz bevor in dieser Woche der Prozeß gegen den Bauunternehmer Jürgen Schneider beginnt, durfte Kommissar Ehrlicher mit seiner Abneigung gegen die da oben schon mal den Einklatscher geben. Armer Schneider: Die Geschworenen vom MDR haben Sonntag abend bereits auf die Höchststrafe plädiert. Oliver Gehrs