Herr Hefele in Wimbledon
: Paulus, du armes Kind

■ Das Wünschen stellt beim Tennis eine energetisch relevante Menge dar

Ein Wort zum Wetter der letzten Tage. Es hatte was Mystisches. Jeden Morgen, wenn ich die Vorhänge zurückschlage, blickt eine graue Wolkenwand zu mir ins Zimmer. Ich blicke zurück und denke mir, das kann ja wieder nett werden, und nimm bloß den Regenumhang mit. Und: Es regnet nicht. Obwohl es über Stunden so scheint, als würde es jeden Moment losgehen, als spüre man schon die ersten Tropfen: kein nasser Segen.

Als würde ein, wie auch immer geartetes, höheres Wesen, gekleidet in die rasengrüne Klubjacke des All England Lawn Tennis and Croquet Clubs, seine schützende Riesenhand über das Gelände halten.

Nicht daß man nun gleich wieder in die Kirche eintreten möchte, aber irgendwie... oder kann es sein, daß der innige Wunsch einiger tausend Menschen nach Regenvermeidung eine Rolle spielt? Molekularumschichtung über kollektive Konzentrationspotentiale?

Wo ich diese Wörter nur immer herkriege.

Es ist aber schon irgendwie mein Ernst: Das Wünschen stellt sehr wohl eine energetisch relevante Menge dar. Tennis ist geradezu ein Lehrbeispiel dafür. Gut zu studieren während des Drittrundenmatches Kiefer gegen Medwedew. Das der Deutsche eigentlich schon gewonnen hatte, dann kurzzeitig dabei war zu verlieren und schlußendlich doch gewann. Weil er in der Lage war, seine Einbrüche mental aufzufangen, sich nicht in Selbstmitleid (“Wenn und Aber“) zu ergehen, sondern Fehler schnell in der Ablage verschwinden zu lassen und neu anzufangen. Jedes Spiel, als stünde es noch null zu null, hat mal jemand sehr richtig gesagt. Eine beachtliche Leistung für einen so jungen Spieler. Vielleicht hat auch gar nicht er das Spiel gewonnen, sondern einer der Zuschauer, der seine Aktionen mit einer Art Singsang begleitete: Auf geht's! So feuern sanfte Pädagogen ihre Schützlinge an. Und vor allem bei jedem Breakpunkt für Kiefer, freundlich aber gnadenlos: It's break time!

Wer selber Tennis spielt, weiß, was man als Zurückliegender mit solchen Kommentatoren machen möchte. Andrej Medwedew ist ein alter Hase, aber wer hinsah, bemerkte das Mahlen der Kiefer. Das nervt und lenkt auf eine Art und Weise ab, die den einen oder anderen Punkt kosten kann. Medwedew hat Mr. Breaktime mit Sicherheit auf den Mond gewünscht. Interessant auch, wen sich Tennisspielerinnen als Zuschauer in die Player's Box wünschen. Machen Sie sich selbst ein Bild: Nicole Arendt: Mutter Natur, Martina Hingis: Alberto Tomba, Jana Novotna: Madonna und Barbara Paulus: eines der armen afrikanischen Kinder. Als ob die keine anderen Sorgen hätten.

Ein Wort zum Wetter von gestern: Ich ließ den Regenumhang zu Hause. Zum ersten Mal. Um die Mittagszeit begann es zu regnen. Ich wünschte, ich hätte ihn mitgenommen.