Gefährliche Pluralität

Das Konzept der multikulturellen Gesellschaft ist ambivalent. Es droht, mit dem Begriff der „Differenz“ in Wahrheit soziale Ungleichheiten zu zementieren, und seine Förderung bewirkt letztlich die Anerkennung dieser Ungleichheit  ■ Von Kenan Malik

Wenige Überzeugungen sind im modernen liberalen Denken so unhinterfragbar geworden wie die von den Tugenden der Pluralität und der multikulturellen Gesellschaft. Das Maß, in dem Sarajevo symbolische Bedeutung annahm, ist ein Ausdruck dieses Festhaltens an den Prinzipien einer multikulturellen, multiethnischen Gemeinschaft.

Wie in den dreißiger Jahren im Spanischen Bürgerkrieg der Kampf um Barcelona zum Symbol der Verteidigung der Demokratie gegen den Faschismus wurde, so erreichte die Belagerung Sarajevos einen mythischen Status als Kampf zwischen Pluralismus und Barbarei. Und die zeitgenössische Gesellschaft hält kaum ein Verbrechen für monströser als die „ethnische Säuberung“, den Versuch also, Differenz und Vielfalt auszulöschen und eine ethnisch und kulturell homogene Gesellschaft zu schaffen. Von Bosnien bis Ruanda ist die gewalttätige Vertreibung rivalisierender ethnischer Gruppen zum Maßstab des Zusammenbruchs zivilisierter Verhältnisse geworden.

Der Glaube an Pluralität und die multikulturelle Gesellschaft ist so eng mit unserer gesamten Lebensstruktur verwoben, daß wir kaum je genug Abstand haben, seine Voraussetzungen zu hinterfragen. Sie gelten als per se gut, oder wie es ein Buchtitel des amerikanischen Wissenschaftlers und frühen Kritikers des Pluralismus, Nathan Glazer, ausdrückte: „Wir sind jetzt alle Multikulturalisten.“ Das Schwelgen in Differenz, die Förderung der Vielfalt in der Gesellschaft und Toleranz für eine Vielzahl kultureller Identitäten gilt fast jedem als Gütesiegel einer anständigen, liberalen, demokratischen, nichtrassistischen Gesellschaft.

Ich möchte in diesem Essay die simple Annahme in Frage stellen, daß Pluralität per se gut sei. Vielmehr möchte ich zeigen, daß die Idee des Pluralismus zutiefst ambivalent ist und das Konzept der Differenz immer schon Kernstück nicht etwa der antirassistischen, sondern der rassistischen Denkart war; und weiterhin, daß die Schaffung einer „multikulturalistischen“ Gesellschaft auf Kosten einer Gesellschaft geht, in der mehr Gleichheit herrscht.

„Aufgeklärte Liberale“ im Dilemma

Selbst ein oberflächlicher Blick offenbart, welch ambivalente Vorstellungen die Idee des Pluralismus wirklich enthält. Sarajevo mag ein Symbol des Multikulturalismus sein, aber es war die Behauptung von „Differenz“, die ursprünglich zum Auseinanderbrechen der jugoslawischen Föderation und einem wüsten Bürgerkrieg führte. Die extreme Rechte hat in Frankreich die Idee der kulturellen Differenz schon lange geschickt als Argument gegen die Einbürgerung von Moslems benutzt. Die Kampagne des Europarats gegen Rassismus und Xenophobie hat mit dem Slogan „Alle gleich, alle anders“ mobilisiert – gerade mal eine Generation früher war das noch der Schlachtruf der Befürworter der Rassentrennung im nordamerikanischen Süden und der Apologeten der Apartheid in Südafrika.

Solche Beispiele zeigen die Schwierigkeit, zwischen Respekt gegenüber Differenz und Verachtung für das Andere zu trennen. Entsprechend folgert der amerikanische Philosoph Richard Rorty, daß die Forderung nach Pluralität der Verfolgung des Ziels der Gleichheit abträglich sei. Pluralismus, so Rorty, führe die, wie er sie nennt, „aufgeklärten Liberalen“ in ein schreckliches Dilemma: „Ihr Liberalismus zwingt sie, jeglichen Zweifel an der Gleichheit der Menschen als irrationales Vorurteil zu betrachten. Aber ihre Vorliebe [für den Pluralismus] zwingt sie, zur Kenntnis zu nehmen, daß die meisten Erdbewohner nicht an Gleichheit glauben, sondern sie vielmehr für eine westliche Exzentrität halten. Und da dem aufgeklärten Liberalen bewußt ist, daß es entsetzlich ethnozentristisch klänge, wenn er sagte: ,Na und? Wir westlichen Liberale glauben trotzdem daran, und das zeichnet uns aus‘, sitzt er in der Falle.“

Rorty selbst löst das Dilemma mit dem Argument, daß Gleichheit gut für „uns“ ist, nicht aber notwendigerweise auch für „sie“. Das deckt sich mit der Argumentation vieler Liberaler heute, die den Begriff der Gleichheit neu definieren wollen, um sie dem Gebäude einer pluralistischeren Welt anzupassen. Wenn aber Respekt gegenüber anderen heißt, keinerlei Urteil über ihre Werte und Normen zu fällen, wenn altmodische Haltungen, reaktionäre Institutionen und unlogische Glaubenssätze mit dem Argument verteidigt werden, sie machten zwar in unserer Kultur keinen Sinn, wohl aber in der der anderen, dann wird das Streben nach Differenz zur Indifferenz, zur kaltblütigen Mißachtung des Schicksals der anderen, weil sie „eben nicht sind wie wir“.

Rorty behauptet zu Recht, daß die Prinzipien von Pluralität und Gleichheit widersprüchliche Forderungen an die Gesellschaft stellen. Die Antwort kann jedoch nicht sein, unsere Forderung nach Gleichheit aufzugeben, sondern zu überdenken, was wir mit Pluralismus meinen.

Das Werben für „Differenz“ war niemals ein antirassistisches Prinzip, sondern im Gegenteil Kernstück des rassistischen Projekts. Seit der Aufklärung mußten sich westliche Denker und Politiker mit dem inneren Widerspruch von Gesellschaften auseinandersetzen, die zwar fest an das Prinzip der Gleichheit glauben und es achten, selbst jedoch zutiefst ungleich sind. Aus diesem Widerspruch hat sich die Rassenideologie entwickelt. Die Rassentheorie versuchte, die Kluft zwischen dem abstrakten Glauben an Gleichheit und der konkreten Realität sozialer Ungleichheit durch die Annahme einer natürlichen Ungleichheit zu erklären. Die Gesellschaft sei ungleich, weil das Schicksal jeder sozialen Gruppe irgendwie mit ihnen innewohnenden Qualitäten zusammenhänge. Für Rassentheoretiker erklärte sich das Wesen einer Gesellschaft aus den Unterschieden, die sie enthielt.

Grundannahmen des Rassendenkens

Im 19. Jahrhundert wurden Unterschiede zwischen sozialen Gruppen vor allem als biologisch begründet angesehen, wie in der Ideologie des wissenschaftlichen Rassismus. Heute werden solche Unterschiede kulturell definiert. Die Schrecken der Nazizeit und des Holocaust haben geholfen, die sogenannte Wissenschaft von den Rassen und jegliche biologische Begründung der Unterschiede zwischen den Menschen zu diskreditieren. Nach dem Krieg war die Wissenschaft von den Rassen tot – nicht aber das Rassendenken. Die biologischen Argumente für rassische Überlegenheit waren zwar in Verruf geraten, und offen rassistische Äußerungen wurden mißbilligt.

Die Grundannahmen des Rassendenkens blieben jedoch intakt – insbesondere die Vorstellung, daß die Menschheit in voneinander recht klar unterscheidbare Gruppen aufteilbar ist; daß jede Gruppe nach ihren eigenen Kriterien zu betrachten sei; daß jede Gruppe in gewisser Hinsicht unvergleichbar sei mit den anderen; und daß die wichtigen Beziehungen innerhalb einer Gesellschaft nicht aus Gemeinsamkeiten, sondern aus Differenzen zwischen den Gruppen erwüchsen.

Die Form des Rassendenkens änderte sich schließlich. Man sprach nicht mehr die Sprache der Biologie, sondern die der kulturellen Pluralität. Auf politischer Ebene führte dies zum Streben nach „Multikulturalismus“ als wünschenswertem gesellschaftlichem Ziel.

Das Konzept einer multikulturellen Gesellschaft entwickelte sich in der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem als Antwort auf die Folgen der Masseneinwanderungen in die westlichen Länder. Angelockt vom wirtschaftlichen Aufschwung, kamen in den fünfziger und sechziger Jahren elf Millionen Arbeiter nach Europa. In den USA fand zur gleichen Zeit eine andere Migration statt, nämlich der Zustrom einer gewaltigen Zahl Afroamerikaner in die Städte des Nordens. In beiden Fällen fanden sich die Neuankömmlinge an den Rändern der Gesellschaft wieder, wurden Opfer von Rassimus und Diskriminierung und hatten keinerlei Zugang zu den Hebeln der Macht. Die Ideologie des Multikulturalismus bestätigte die Fortdauer der Ungleichheit, trotz rhetorischer Forderungen nach Integration, Assimilation und Gleichbehandlung.

In den sechziger Jahren hofften und erwarteten sowohl weiße als auch schwarze Beobachter mehrheitlich noch, daß sich die afroamerikanischen Neuankömmlinge im Norden – wie ihre europäischen Vorgänger – schließlich in die Gesellschaft integrieren würden. Der Titel eines Artikels von Irving Kristol in der New York Times drückte 1966 diese Hoffnung aus: „Der Neger von heute gleicht dem Einwanderer von gestern.“ Drei Jahrzehnte danach müssen wir feststellen, wie falsch derartige Behauptungen waren. Jede Sozialstatistik – von der Trennung der Wohnviertel bis zur Zahl der Mischehen, von der Kindersterblichkeit bis zum Sprachgebrauch – zeigt heute, daß Afroamerikaner anders leben als der Rest Amerikas. Selbst die Lebenspraxis der Hispanoamerikaner liegt näher an der weißer Amerikaner als an der von Afroamerikanern.

Ausschluß statt Beteiligung

So führte die Niederlage der Gleichheitsbewegung zur Verherrlichung der Differenz. Der afroamerikanische Kritiker Bell Hooks stellte fest, „die Bürgerrechtsreform [habe] die Vorstellung verstärkt, daß die Befreiung der Schwarzen über ihren Zugang zu den materiellen Möglichkeiten und Privilegien der Weißen – d.h. Arbeitsplätze, Wohnungen, Bildung etc. – definiert werden muß“. Diese Strategie hätte jedoch niemals zur Befreiung führen können, so Hooks, weil eine derartige „Vorstellung von ,Freiheit‘ versucht, Verhalten, Lebensstile und vor allem Werte und Bewußtsein der weißen Kolonisten zu imitieren“. Das uneingelöste Versprechen auf Gleichheit hat radikale Kritiker wie Hooks folgern lassen, daß das Konzept der Gleichheit an sich problematisch sei, da Afroamerikaner „anders“ seien als die Weißen.

Politiker und Entscheidungsträger haben auf solche Argumente mit der Neudefinition der Vereinigten Staaten als „multikulturelle“ Nation reagiert. Dieser Multikulturalismus geht davon aus, daß die Nation sich aus vielen verschiedenen kulturellen Gruppen und Völkern zusammensetzt. In Wirklichkeit aber ist sie das Produkt des andauernden Ausschlusses einer dieser Gruppen: der Afroamerikaner. Die Förderung des Multikulturalismus ist die stillschweigende Anerkennung, daß der Graben zwischen Schwarz und Weiß nicht überbrückt werden kann und daß die Forderung nach Gleichheit als sozialpolitisches Ziel aufgegeben werden muß. „Multikulturalismus“, schrieb Nathan Glazer, „ist der Preis, den Amerika für die Unfähigkeit oder die Weigerung zahlt, Afroamerikaner in gleicher Weise in die Gesellschaft aufzunehmen wie so viele andere Gruppen.“

Den wahren Preis zahlen natürlich die Afroamerikaner. Denn in Wirklichkeit herrscht in Amerika keine Multikultur, sondern schlicht Ungleichheit. Und die Förderung des Multikulturalismus ist die Anerkennung der Unvermeidlichkeit dieser Ungleichheit.

Das „Abseits“, in dem sich schwarze und andere Einwanderungsgruppen in Westeuropa fanden, ist wahrscheinlich weniger groß als das der Afroamerikaner in den USA. Und dennoch ist auch hier der Pluralismus zum Mittel geworden, eine Diskussion über die Nichteinlösung des Gleichheitsversprechens zu vermeiden. Durch sozialen Ausschluß und Diskriminierung wurden den schwarzen Gemeinschaften überlieferte Verhaltensweisen und Lebensstile zum Anker in einer feindlichen Umwelt. Die auf diese Weise permanent nachwachsenden Unterschiede wurden rationalisiert und nicht etwa als negative Folgen des Rassismus betrachtet, sondern als positives Ergebnis der Pluralität gefeiert.

Viele junge Leute in Marseille oder in den östlichen Stadtteilen von London bezeichnen sich beispielsweise als Muslime. Sie meinen damit jedoch weniger einen religiösen Glauben oder eine kulturelle Prägung; vielmehr verteidigen sie angesichts einer feindlichen, antimuslimischen Gesellschaft mit dieser Selbstdefinition die Würde ihrer Gemeinschaft. Ihr Islam ist keine freie Zelebration einer Identität, sondern der Versuch, so gut es geht eine schwierige Beziehung mit einer feindseligen Mehrheit auszuhandeln.

Rassismusproduzierte Differenzen feiern

Muslime in Paris und London haben ihre „Differenz“ ebenso wenig selber gewählt wie die afroamerikanischen Jugendlichen in der Bronx oder in Los Angeles – oder auch die Juden in Nazi-Deutschland. Ein muslimischer Aktivist aus Bradford drückte es folgendermaßen aus: „Unser Islam hat sich aus der Stärke der antimuslimischen Hysterie in diesem Land entwickelt.“ Solche fragmentierten Gesellschaften als „multikulturell“ zu bezeichnen, beinhaltet die Gefahr, Differenzen zu feiern, die von einer rassistischen Gesellschaft produziert wurden.

Es ist nützlich, die Erfahrung der Nachkriegseinwanderer – und der afroamerikanischen Zuwanderer in die Städte des Nordens der USA – mit den älteren Emigrantenwellen nach Europa und Amerika zu vergleichen. Zwischen 1890 und 1920 gab es einen großen Zustrom von Osteuropäern nach Britannien; Italiener und Portugiesen kamen nach Frankreich, Ost- und Südeuropäer gingen in die USA. Diese Neuankömmlinge trafen auf eine ähnlich feindselige Stimmung wie die Nachkriegsimmigranten. Auch sie wurden als fremdartig bezeichnet, als weniger intelligent, unmoralisch und promisk, als gewalttätig, zu Alkohol- und Drogenkonsum neigend.

Dennoch wurden sie schließlich in die Gastnation integriert, und anders als heute betrachtete keiner ihre Anwesenheit als Vorbote einer „multikulturellen“ Gesellschaft. Der Gegensatz zwischen der Erfahrung der Vorkriegs- und der Nachkriegsimmigranten hat weniger mit ihnen selbst als mit den Gastgesellschaften zu tun.

Wandlung des Gleichheitsbegriffs

Drei entscheidende gesellschaftliche Entwicklungen haben das Streben nach Integration und Gleichheit sehr viel schwerer gemacht. Erstens ist die materielle Kapazität der Gesellschaft, Gleichheit zu gewähren, ausgehöhlt worden. Die Rezessionen, die die Ökonomien des Westens seit den siebziger Jahren getroffen haben, haben die Marginalisierung der schwarzen Einwanderer und der Afroamerikaner noch verstärkt.

Zweitens ist die Idee einer gemeinsamen Kultur enorm geschwächt worden. Der Zusammenbruch des Nachkriegskonsenses und das Ende des Kalten Krieges haben eine Stimmung der Empfindlichlichkeit und Ängstlichkeit geschaffen, in der die Vorstellung einer kohärenten nationalen Identität fragwürdig geworden ist. Besonders in den USA hatte der Kalte Krieg für einen gemeinsamen äußeren Feind gesorgt und damit ein geradezu missionarisches Gefühl dafür, was es heißt, Amerikaner zu sein. Dessen Verlust hat den Glauben an eine gemeinsame Kultur, der alle angehören, untergraben.

Drittens, und vielleicht am entscheidendsten, hat sich der Begriff der Gleichheit selbst gewandelt. Daß Bewegungen wie die des Kampfes für gleiche Bürgerrechte in den USA nicht in der Lage waren, das Leben der afroamerikanischen Mehrheit zu verändern, mußte das Vertrauen der antirassistischen Kämpfer schwer erschüttern. Wer sich für Gleichheit einsetzt, hinterfragt traditionelle Praxis und schwimmt in seinem Glauben an die Möglichkeit gesellschaftlicher Veränderung gegen den Strom. Unterschiede zwischen den Völkern zu feiern erlaubt uns hingegen, die Gesellschaft zu akzeptieren wie sie ist. Es drückt nur aus: „Wir leben nun mal in einer Welt voller Unterschiede, also genieße sie.“ Das gestattet uns, die Spaltungen und Ungleichheiten, die die Welt charakterisieren, anzuerkennen.

Die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten zehn Jahre weltweit haben diese pessimistische Einstellung noch intensiviert. Das Ende des Kalten Krieges, der Zusammenbruch der Linken, das Bröckeln der Nachkriegsordnung und die Fragmentierung der sozialen Bewegungen haben viele alte Gewißheiten zerschlagen. Ganz besonders in Zweifel gezogen haben sie unsere Fähigkeit, die Welt zum Besseren zu verändern. In diesem Kontext hat das Streben nach Gleichheit dem Ruf nach einer vielfältigen Gesellschaft Platz gemacht.

Die Idee des Multikulturalismus ist, wie die der Rasse, ein Versuch, sich mit den Ungleichheiten in einer Gesellschaft abzufinden, die sich zur Gleichheit bekennt. Während Rassentheoretiker meinten, daß soziale Unterschiede das unvermeidliche Resultat natürlicher Unterschiede seien, gegen die man nichts tun könne, behaupten Multikulturalisten nun, daß sie das Resultat kultureller Unterschiede seien, gegen die man nichts tun solle. Aber das ist nichts anderes als eine Umbenennung von Ungleichheit.

Soziale Gleichheit ist keine „westliche Exzentrizität“. Sie bezieht sich auf unsere universale Fähigkeit, als politisch Gleiche zu handeln. In einer Gesellschaft, in der Gleichheit herrscht, kann diese Fähigkeit viele Formen annehmen – und insofern zum Fundament wirklicher Differenz werden. Nur in einer Gesellschaft von Gleichen kann Differenz Bedeutung haben, denn nur hier kann sie frei gewählt werden. In einer ungleichen Gesellschaft ist das Streben nach Differenz dagegen oft nichts anderes als die Festschreibung bereits existierender Ungleichheiten, die durch den Diskurs der „Differenz“ schlicht neu definiert werden. Die Herausforderung besteht heute nicht darin, „Differenz“ zu einem politischen Ziel zu machen, sondern das Konzept der Rassenungleichheit zu überschreiten und Gleichheit klar und eindeutig zu vertreten.

Kenan Malik lebt als Schriftsteller und Journalist in London. Zuletzt erschien „The Meaning of Race“ (Macmillan, UK, 1996)